Herbert Grönemeyer - I Walk
"I Walk" heißt das neue Album von Deutschlands größtem Popstar Herbert Grönemeyer. Darauf versammelt der 56-Jährige ausschließlich Lieder in englischer Sprache – Übersetzungen großer Hits wie "Mensch" und "Flugzeuge im Bauch" ebenso wie neue Stücke und ein Duett mit Bono von U2.
Vielleicht begreift man erst beim Hören dieses Albums,
wie groß die Leistung Herbert Grönemeyers ist und warum es in
Deutschland keinen größeren Popstar gibt als ihn. Vor einer Woche
erschien die CD "I Walk" in England, heute werden die 13 Songs auch bei
uns veröffentlicht, und das Besondere an ihnen ist: Grönemeyer singt
englisch. Der 56-Jährige hat immer wieder mal seine Hits übersetzt; die
Alben "Luxus" und "Chaos" gab es in englischen Fassungen, zudem einen
Sampler mit dem Titel "What's All This". Aber dieser neuerliche Ausflug
in die Fremdsprache ist von anderer Qualität, keine Spielerei, nicht
putzig, sondern Ausdruck von Grönemeyers Selbstbestimmtheit, sein voller
Ernst.
Fotos
Grönemeyer lebt seit 1998 in London, er sagt, er habe
sich an die Sprache, den Humor und die Kultur gewöhnt, und er wolle
verstärkt in England produzieren. Seine Plattenfirma Grönland arbeitet
bereits dort, und in ein paar Tagen tritt Grönemeyer im Roundhouse auf,
dem legendären Konzerthaus in Camden. Er wird die neuen Lieder
präsentieren, die Zuhörer haben sicher ihren Spaß. Doch auf der Bühne
steht ein anderer Künstler als der, den wir kennen.
Lieder als Rollenprosa
Das Originelle im Werk von Herbert Grönemeyer ist
nicht so sehr die Musik, obwohl die – auf den späten Platten zumal –
großartig produziert wird, abwechslungsreich und ambitioniert. Aber
Grönemeyer ist eben nicht in erster Linie Musiker, man mag ihn noch
nicht einmal einen Sänger nennen. Viel bedeutender ist er als
Stellvertreter des Hörers; jedes der großen Lieder ist Rollenprosa, und
dass Grönemeyer in seinem Vortrag Wörter verschleift, Endungen weglässt
und Halbsätze einfach vermurmelt, erhöht sogar noch die Authentizität.
Man nehme nur mal "Flugzeuge im Bauch" von 1984. Es beginnt mit den
Worten "Schatten im Blick", und wie Grönemeyer sie ausspuckt und sich
dann abwendet, sagt so viel mehr über den liebeswehen Mann, der da
singt, als jede grammatikalische Vollständigkeit es vermocht hätte:
Genauso reden Kerle, die fertig sind – harter Junge, Herz kaputt. Der
Lyriker Michael Lentz schrieb, "Grönemeyer steckt im Buchstaben". Das
trifft es: Jeder Laut ist von Bedeutung, das Wie wichtiger als das Was.
Kaum ein anderer Texter vermochte deutsches So-Sein derart wahrhaftig
auf den Punkt zu bringen.
Auf "I Walk" wird Grönemeyer nun zum Sänger, er trägt
die zum Teil bedeutungsverändernd verfremdeten Texte akzentuiert vor,
klar, nach Lehrbuch. Dabei verdampft viel Atmosphäre. "Flugzeuge im
Bauch" etwa, das in den 80er Jahren schon einmal übertragen wurde und
jetzt abermals und wiederum anders nuanciert, beginnt mit den Worten
"Shatter Me" ("Zerschmetter mich"). Das ist dramatischer als im
Original, zugleich hollywoodesk, spektakulär und also unpersönlich. Es
reißt einem das Lied unter den Füßen weg.
Im Englischen allgemeiner
Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Grönemeyer
auf Englisch ist allgemeiner, dabei war seine Stärke stets das
Subjektive. Im Spätwerk wurde er gar zum Seelendichter – "Mensch" ist
längst so etwas wie das alternative Lied der Deutschen. Die Auftaktverse
dieser Verlustanzeige – "Momentan ist richtig / Momentan ist gut" –
sind in ihrer Prägnanz schlichtweg genial. Die Übersetzung fällt
hingegen ab: "Every second has a reason / As the time slides away".
Diesem Song wurde geradezu das Herz herausgerissen, denn die Zeile, auf
die alles zuläuft, dieses "Du fehlst" nämlich, lautet hier: "You I
Miss". Grönemeyer würde nie "Ich vermisse dich" singen, nie und nimmer.
Grönemeyer – der Grönemeyer jedenfalls, mit dem man die vergangenen 30
Jahre verbrachte – singt selbstverständlich "Du fehlst", und das auch
erst, nachdem er sich mehrere Strophe lang vorgetastet hat zu diesem
Geständnis-Konstrukt.
Der englische Grönemeyer ist ein Interpret, ihn umgibt
Mittelbarkeit. Man kennt und schätzt ihn aber als Prediger, Dozierer
und Stammler. Man schaute nicht auf zu ihm, sondern herüber: gleiche
Ebene, Kumpeltyp. Auf "I Walk" wirkt er fremd wie ein verkleideter
Freund. Und bei der Gelegenheit fällt auf, wie schön es vorher mit ihm
war.
Zum Glück geht es gut aus, am Schluss zwinkert
Grönemeyer dem Hörer zu. Er bringt noch einmal die englische Version
seines größten Hits, er singt sie im Duett mit Bono von U2. Grönemeyer
knödelt, Bono gleitet im Tiefflug durch das Stück. Es ist ein Wettrennen
zwischen Mercedes 200 D und Lamborghini. Man schmunzelt. Und obwohl
Grönemeyer den Text komplett übersetzte, fasste er den Titel nicht an.
Er lautet weiterhin "Mensch".(Quelle: RP-Online)
Tracklist:
01. Mensch (04:33)
02. All That I Need (03:54)
03. Will I Ever Learn (feat. Anthony Hegarty) (03:52)
04. Keep Hurting Me (03:02)
05. To The Sea (feat. James Dean Bradfield) (05:17)
06. Because Of You (03:56)
07. Before The Morning (03:50)
08. I Walk (03:34)
09. Airplanes In My Head (04:31)
10. Behind The Glass (04:05)
11. Same Old Boys (03:22)
12. The Tunnel (04:36)
13. Mensch (Bonus Track feat. Bono) (04:32)
02. All That I Need (03:54)
03. Will I Ever Learn (feat. Anthony Hegarty) (03:52)
04. Keep Hurting Me (03:02)
05. To The Sea (feat. James Dean Bradfield) (05:17)
06. Because Of You (03:56)
07. Before The Morning (03:50)
08. I Walk (03:34)
09. Airplanes In My Head (04:31)
10. Behind The Glass (04:05)
11. Same Old Boys (03:22)
12. The Tunnel (04:36)
13. Mensch (Bonus Track feat. Bono) (04:32)
Clip:
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