A Tale of Golden Keys - Shrimp




Na ist denn heut' noch Karneval? Der Rosenmontag ist kaum vorbei, die Plastikverpackungen aufgerissener Süßigkeiten noch nicht von der Straße verschwunden und irgendwo steht ein Hobbygärtner mit einem Wasserschlauch vor seinem heißgeliebten Rhododendron und versucht, die Kotze irgendwelcher versoffener Jecken wegzuspülen. Da zieht auf einmal ein erwachsener Mann als Krabbentier verkleidet mit einem Bier in der Schere aus einem Waschsalon los, landet alleine auf einem Spielplatz, streift weiter durch die Stadt in einen Supermarkt und singt schließlich am Ende des Tages in einer Karaokebar. Gut, besagter "Shrimp" krebste streng genommen schon vor Monaten los, um das gleichnamige Album der deutschen Indie-Band A Tale Of Golden Keys anzukündigen. Seine Reise haben aber bisher wohl nur in den Vorgänger "Everything went down as planned" Eingeweihte wahrgenommen, obwohl der zugehörige Song "In the far distance" doch eine so großartige Einleitung in das Werk der Gruppe ist. Mit tiefer Melancholie in Hannes Neunhoffers Stimme heißt es "Don't know where to go now / So I just stay behind", während der Song bedächtig weiterläuft, immer wieder eine Pause macht, um den nächsten Gedanken aufzugreifen. Und doch feiert der einsame "Shrimp" zum Schluss triumphal die eigene Orientierungslosigkeit in diesem merkwürdigen Ding, das sich Leben nennt.
A Tale Of Golden Keys lieben dieses Wechselspiel aus angetäuschter Endzeitstimmung und einem ironischen Augenzwinkern, das zwar nicht den zuvor beschworenen Weltschmerz wegwischt, ihn aber auch nicht zu ernst nimmt. Ein gewisser subtiler Humor ist A Tale Of Golden Keys ohnehin sicher, wenn gleich der Opener "Punk rock hit" nicht als eingängig-flott herausgerotzte Nummer mit zwei Akkorden daherkommt, sondern als komplexes, pianogetriebenes Stück, das angestachelt von den immer mutiger werdenden Drums seine Schwermut abschüttelt. Zwar setzt "Shrimp" häufig auf eine Songstruktur aus gemächlichem Auftakt mit finalem Aufbäumen und eine ähnliche Klangkulisse, einfältig ist das Album dadurch jedoch lange nicht. Vielmehr entsteht so eine atmosphärische Dichte, der man sich nur schwer entziehen kann. Zumal leichtere Variationen wie das basslastige "A thought caught fire" oder das anfangs eingängige und dann in eine funkelnde Explosion aus Drums und Gitarren mündende "Open the door" nie Langeweile aufkommen lassen. "Shrimp" ist ein sich aus der Melancholie erhebendes Feuerwerk, das den Hörer mit jedem Durchgang aufs Neue belohnt.
Tatsächlich kann man gut verstehen, weshalb Grand Hotel van Cleef, das A Tale Of Golden Keys wegen Überfüllung bei deren erster EP nicht unter Vertrag nehmen konnte, dennoch ihre Tour organisierte. Denn es fällt wirklich schwer, sich nicht irgendwo in dem feinen Indie mit poppigen Melodien und schönen Texten der aus Würzburg und Nürnberg stammenden Band zu verlieren. Wenn man dann allerdings mitbekommt, dass "Shrimp" innerhalb von gerade einmal zehn Tagen geschrieben und eingespielt wurde, muss man sich unweigerlich fragen, welches Meisterwerk bei etwas mehr Zeit drin gewesen wäre. Sind hier gerade neue Hoffnungsträger der deutschen Indie-Szene aufgetaucht?(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
01. Punk Rock Hit
02. A Thought Caught Fire
03. In the Far Distance
04. Gospel
05. White
06. Restless
07. Will I Be the Last
08. Exhale
09. Open the Door
10. To Think


Clip:
Restless

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