Die Wilde Jagd - Uhrwald Orange



"Ja, spinnt da Beppi?", pflegt man in Bayern auszurufen, wenn sich gar keine Sinnhaftigkeit im Handeln einer Person ausmachen lässt. Das Krautrock-Duo Die Wilde Jagd kommt zwar aus nördlicheren Gefilden der Bundesrepublik, es liefert mit seinem Zweitwerk "Uhrwald Orange" jedoch eine der überzeugendsten Antworten auf die Eingangsfrage seit langem. Sie lautet: Ja, und zwar alle und zwar komplett. Anders lässt sich ein Album, das acht Tracks auf knapp 80 Minuten verteilt und mit Titeln wie "Flederboy" und "Säuregäule" aufwartet, auch kaum erklären. Schon das Debüt war ziemlich verschroben, nun sind die Herren Ralf Beck und Sebastian Lee Philipp allerdings aufs Vortrefflichste durchgeknallt. Was vor ein paar Jahren noch Andeutung und Spielerei war, wird jetzt bis zur Erbarmungslosigkeit durchgezogen.
Eine Viertelstunde Loop? Bitteschön, geht. Wenn der Loop gut ist, spielt Zeit keine Rolle. Die Einflüsse von Bands wie Neu! und La Düsseldorf treten auf "Uhrwald Orange" noch deutlicher hervor als auf dem Erstling. Das heißt: Völlige Monotonie trifft auf monotone Völle. Oder, um es bildlicher auszudrücken: Im Uhrwald gehen die Zeiger schief. Tracks wie "Stangentanz" genügt ein minimalistisches Gerüst, um den Hörer zu frenetischem Kopfnicken zu bringen. Dass die Musik trotz ihrer inhärenten Unbeweglichkeit so zur Bewegung anregt, ist dem großen Gespür der Band für Rhythmik zu verdanken — "Uhrwald Orange" groovt wie Sau. Oder eben wie "2000 Elefanten". Die Dickhäuter-Stampede erlangt zusätzliche Absurdität durch gesungene Verse wie "Gellend in die Nacht hinein / Schlägt ein Herz aus Elfenbein / Es verrät dem Heer aus Sand / Was der Mann im Mondfeld fand". So etwas kann man sich nicht ausdenken.
Nun wäre der bloße Verweis auf die Abseitigkeit von Die Wilde Jagd aber ungerecht gegenüber den Künstlern. Denn die Lust am Unsinn alleine macht kein gelungenes Album. Es ist der Blick fürs Ganze, der "Uhrwald Orange" zum Triumph werden lässt. Bei aller Liebe zum Detail folgt das Album einem klaren Plan. Eher von Schlagzeug und Bass dominierte Tracks wechseln sich mit fast schon folkigen Klängen ab. So ist das zwischen Wurzelpeter und Schimmelreiter umherwabernde "Ginsterblut" oberflächlich gehört ein schlichter Song mit einem merkwürdigen Text. Im Kontext des Albums erfüllt er jedoch eine Schlüsselfunktion: Hier laufen die Fäden zusammen.
Die Lyrik, die sich nicht entscheiden kann, ob sie nun romantisch, surrealistisch oder schlicht Banane sein will. Die Musik, die Einflüsse aus Kraut- und Postrock mühelos zu etwas Neuem verbindet. Und der Wald. Der Wald ist dicht und dunkel. Ganz tief drin lauert mit "Kreuzgang" ein Track, den zu verdauen sicher nicht jeder in der Lage sein wird. Während die erste Hälfte sich mit seinem Motorik-Beat in bekannten Gefilden bewegt, wagt die zweite den Sprung ins Fichtendickicht. Kaum greifbare Gesangsfetzen werden genau so lange wiederholt, bis sich ein wohliges Gefühl der Trance einstellt. Das weckt Lust auf Rindenmulch. Wo es das gibt? Natürlich an der Mulchbar.(Quelle:Plattentests)


Tracklist:
  1. Flederboy
  2. 2000 Elefanten
  3. Stangentanz
  4. Fremde Welt
  5. Kreuzgang
  6. Ginsterblut
  7. Säuregäule
  8. Der Uhrwald
Clip:
2000 Elefanten

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