Blockhead - The Music Scene

Angewidert von Kommerz, Einheitsbrei und Oberflächlichkeit zeigt Blockhead aus der Nische Instrumental-Hip-Hop, dass man immer (noch) kreative, gute Musik machen kann.

"Alles, was erfunden werden kann, wurde bereits erfunden." Verleiht die Popmusik diesem angestaubten Zitat nun doch noch Wahrheitsgehalt? Das Resümee zur vergangenen musikalischen Dekade legt diese Vermutung nahe. Dank finanzieller wie kreativer Krise, konnte das Geschäft in der letzten Zeit maximal mit Ausdifferenzierung oder mehr oder weniger gelungenen Mash-Ups glänzen, setzte ansonsten aber auf Optik, Skandal oder Wiederbelebung. In der großen Masse brachte das nicht enden wollende Revivals, Eintagsfliegen und Marketingmarionetten hervor, gute Kompositionen blieben jedoch eher auf der Strecke.
"Musik vermittelt nichts Neues mehr. Du brauchst kein Talent, sondern den richtigen Look und die richtigen Verbindungen. Aus der Musikszene ist eine einzige Fashion-Show geworden. Die Leute halten bloß noch an dem fest, was bereits erfolgreich war oder von dem sie der Meinung sind, dass es mal erfolgreich werden wird." So äußert sich der New Yorker Hip-Hop-Produzent Blockhead im hhv.de-Interview zum Diskurs und setzt dem Ganzen voll Ironie sein drittes, "The Music Scene" betiteltes Werk entgegen. Resultat ist, wie schon auf seinen zwei vorigen Alben, ein emotionaler, ambienter Instrumental-Sound, der dennoch eine Weiterentwicklung des Amerikaners markiert.
Das Neue? Blockhead a.k.a. Anthony Simon hat es geschafft, eine Livedynamik und Vielschichtigkeit in seinen Stücken einzufangen wie nie zuvor. Dies ist der Verwendung von Ableton Live, einem neuartigen Sequenzer, geschuldet, Dank dem fast jeder Track wie ein Minimixtape anmutet und der virtuose Wechsel von Themen, Melodien sowie Beatstrukturen und -geschwindigkeit regieren kann. Bereits der Opener "It's Raining Clouds" beginnt als eingängige, hypnotische Downbeatnummer, um nach fast vier Minuten noch geschmeidigst aber überraschend in einen Drum'n'Bass-Part überzugehen.
Wie schon in früheren Produktionen ist auch auf "The Music Scene" eine gewisse Melancholie allgegenwärtig, die jedoch im Kontrast zu Simons optimistischem Wesen steht. Negative Gefühle hegt er nach eigenen Aussagen nur in Hinblick auf das aktuelle Musikgeschehen. Entsprechend tönt das Vocalsample des Titeltracks: "The music scene has got me down / cause I don't want to be a clown." Durch die überdurchschnittlich ausgereizte Stimmverfremdung in "Four Walls" liefert er zudem auch einen Kommentar zum mittlerweile infaltionär im Hip-Hop eingesetzten Autotune-Effekt.
Auch nach mehrmaligem Hören ist es bei dieser Kreativität und Tiefe schwer, Schwachstellen auf Blockheads neuer Scheibe auszumachen und Eintönigkeit scheint ausgeschlossen. Vom nach eigenen Angaben gruseligsten Stück seiner Karriere, "The Daily Routine", das um Originalaufnahmen von Drogensüchtigen gebaut wurde und von Pianoklängen, wirren Geigen oder bedrohlichem Bassgerüst umspült wird, bis zum zwischen Afro-, Voodoo- und Nahost-Flair pendelndem "Tricky Turtle" zeigen sich unaufhörlich neue Facetten. Die Samplefreude des Produzenten zitiert gefühlte 50 Jahre Musikgeschichte egal ob Jazz, Rock oder Soul. Dabei beweist er sogar Mut, da die Rechte der Originalschnipsel in den wenigsten Fällen geklärt sind (jedoch müsse man erstmal die Quellen selbiger ausfindig machen, wie im erwähnten hhv.de-Artikel nachzulesen).
Kurz und gut: "Tony" offenbart ein weiteres Mal sein Ausnahmetalent, das er ansonsten auch gern in den Dienst von Underground-Künstlern wie Aesop Rock, DJ Signify oder Joanna Erdos stellt. Liebhaber verkopfter, chilliger Klänge sollten dem neuen Blockhead-Album schon mal ein Plätzchen im Regal neben Kruder & Dorfmeister, Nightmares On Wax und Co. sichern. (Quelle:Motor.de)

Tracklist:
01 - It's Raining Clouds
02 - The Music Scene
03 - Only Sequences Change
04 - Which One Of You Jerks Drank My Arnold Palmer
05 - Attack The Doctor
06 - The Prettiest Sea Slug
07 - The Daily Routine
08 - Tricky Turtle
09 - Four Walls
10 - Pity Party
11 - Hell Camp
12 - Farewell Spaceman

Clip:
 The music Scene

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