Sky Ferreira - Night Time, My Time
Sky Ferreira galt mal als ganz große Hoffnung ihrer Plattenfirma, als nächste Anwärterin auf den Teen-Pop-Thron und hatte diesbezüglich auch schon vielversprechende Singles in den UK- und US-Charts. Folglich begann sie mit der Arbeit an ihrem Debütalbum – dann ließ die Plattenfirma sie im Regen stehen. Seitdem ist auch noch eine Menge Wasser aus den Wolken gefallen und Ferreira machte eher durch (Mode-)Fotos, die irgendwo zwischen 40er-Glam und Heroin-Chic oszillieren (siehe skyferreira.tumblr.com) und Laufstegarbeiten, zum Beispiel für Hedi Slimane, von sich reden. Da scheint es fast perfekt ins Bild zu passen, dass sie dabei war, als bei ihrem Liebsten Zachary Cole Smith von DIIV während einer Polizeikontrolle eben dieses Pulver gefunden wurde. Insgesamt also eine Menge Tratsch für die Klatsch- und Promiseiten dieses Planeten, aber wenig musikalische Substanz. An die Veröffentlichung ihres Debüts hat schon kaum noch jemand gedacht, aber nun kann man sich „Night Time, My Time“ anhören und mit dem Material von damals dürfte es wenig bis gar nichts zu tun haben.
In „I Blame Myself“, das fast in der Mitte des Albums platziert ist, thematisiert Ferreira eben ihre öffentliche Persona oder deren Wahrnehmung: „I blame myself for my reputation“, singt sie im Refrain. Allerdings spart sie auch nicht mit Kritik an zu vorschnellem Schubladendenken, wenn man nur ihren Namen oder Bilder von ihr kennt, wenn sie nachschiebt: „How could you know what it feels like to fight the hounds of hell?“ oder „How could you know what it feels like to be outside yourself?“, um dann mit „You think you know me so well“ zu kontern. Nun ja, für die (öffentliche) Wahrnehmung – zumindest die visuelle – ist sie schon mitverantwortlich und man darf ihr unterstellen, mit dieser auch genüsslich zu spielen. Denn wenn sie sich wirklich so um ihren Ruf sorgen würde, würde sie sich auf dem Cover wohl nicht barbusig, mit verwischtem dickschwarzen Augen-Make-Up in der Dusche inszenieren. Sex sells, irgendwie eben doch – was allerdings zu der Frage führt, ob so viel weibliche Brust auf einem Popmusik-Albumcover in ihrer Heimat überhaupt geht, oder ob wie bei den männlichen Genitalien auf dem Album von Crocodiles schon der interne Plattenfirmenzensor wartet? Aber zurück zur Musik.
Mit Hilfe von Justin Raisen und von Ariel Rechtshaid, der mit seinen Studiokünsten auch schon so unterschiedlichen Künstlern wie HAIM, Vampire Weekend, Solange oder Charli XCX den letzten Schliff sowohl in Richtung Club und Radio als auch Richtung Stadion gegeben hat, präsentiert sie ein durch und durch gelungenes Pop(rock)album. Das bringt über seine Spielzeit von 12 Songs so scheinbar disparate Stilsegmente unter einen Hut wie Big-Pink-artigen Bombastpop („Nobody Asked Me (If I Was Okay)“), 80er-Schunkelschmockrock wie „24 Hours“, Songs, die tatsächlich wie Cinemascope-Produktionen von DIIV-Songstrukturen klingen („Ain’t Your Right“, „I Will“) oder aber an die Schweden von Radio Dept. und deren ureigene Interpretation der 60er und von Shoegaze erinnern („Omanko“, „Kristine“). Was außerdem positiv auffällt, ist die eher zurückhaltende Studiofrickelei. Klar, Effekte und Konsorten finden sich en masse, aber Ferreira und Rechtshaid/Raisen sind weit entfernt von der gimmickhaften und -geilen Studioverliebtheit, wie sie auf weiten Strecken des HAIM-Albums an den Tag gelegt werden.
So überzeugt Sky Ferreira auf „Night Time, My Time“ mit einem leicht gegen den Zeitgeist gebürsteten Popentwurf – dafür trägt er zu viel (Indie-)Rock und abgespeckten Shoegaze in sich, zu wenig Funk, Disco nur in Spuren, überhaupt keinen sonst omnipräsenten Eurodance, geschweige denn, dass hier irgendwas post-steppen würde -, der die überhypten HAIM locker hinter sich lässt. (Quelle:autouren.de)
Tracklist:
CD #1: Night Time, My Time
1. Boys 4:40
2. Ain't Your Right 3:22
3. 24 Hours 4:05
4. Nobody Asked Me (If I Was Okay) 4:07
5. I Blame Myself 3:57
6. Omanko 4:36
7. You're Not The One 3:56
8. Heavy Metal Heart 4:16
9. Kristine 2:40
10. I Will 3:19
11. Love In Stereo 3:19
12. Night Time, My Time 3:50
CD #2: Ghost EP
1. Sad Dream 3:35
2. Lost In My Bedroom 3:14
3. Ghost 5:29
4. Red Lips 2:23
5. Everything Is Embarrassing 4:09
Clip:
Night Time, My Time
Kommentare
Kommentar veröffentlichen