Robin Thicke - Paula


Über Robin Thicke lacht die ganze Welt. Aber warum eigentlich? Ist es denn so peinlich oder gar schlimm, ein Album voller Liebeslieder über eine Person zu schreiben, die er wirklich liebt? Mitnichten. Doch wie so häufig macht auch bei "Paula" der Ton die Musik.
Denn Thickes siebtes Studioalbum bringt ein besonderes Dilemma mit sich: stellenweise großartige Produktionen. Perfekte Background-Vocals. Betörende Soul-Klänge. Aber eben auch Texte, die bereits nach exakt 55 Sekunden wahnsinnig auf die Eier gehen.
Eben jene 55 Sekunden dauert es nämlich, bis der verlassene Ehemann zum ersten Mal anfängt zu flehen: "Please please please please / Touch me, you're my fantasy / My body's yours / My heart is yours." Gepaart mit der Flamenco-Gitarre und der damit verbundenen Vorstellung von einem Robin Thicke, der am Strand im offen wehenden Leinenhemd über die Saiten schrammelt, löst "You're My Fantasy" den Wunsch aus, die Skip-Taste mit einem Backstein zu beschweren.
Einmaliges Drücken reicht aber glücklicherweise schon aus, um dieses Scheusal von Opener hinter sich zu lassen und auf angenehme Weise daran erinnert zu werden, wozu Robin Thicke eigentlich in der Lage ist. In Personalunion fungiert er wieder einmal als Produzent, Songschreiber, Sänger und sitzt nebenbei auch noch am Klavier. Dabei liefert er in jeder der Disziplinen eine sehr gute Performance ab.
Ob nun der minimalistische R'n'B von "Get Her Back", das funk-rockige "Black Tar Cloud", das sympathisch angeswingte "Time Of Your Life" oder die Piano-Ballade "Still Madly Crazy" - die Songs halten allesamt bei Laune, Thicke beweist ein ausgezeichnetes Gespür für Eingängigkeit und Abwechslung.
Das liegt natürlich auch an Robins Gesang, der nach wie vor über jeden Zweifel erhaben ist. Stimmlich präsentiert er sich meist deutlich tiefer als noch auf früheren Werken, variiert aber immer wieder gekonnt zwischen den Tonlagen und passt sich dem runden Mix aus R'n'B, Pop, Soul, Funk und Gospel stets perfekt an. Besondere Anerkennung gebührt im Übrigen den Background-Sängerinnen Alex Isley, Kimberly Johnson-Breaux und Angie Fisher, die nicht nur "Lock The Door" zu einem der großen Highlights machen.
Wären da nur nicht diese Texte. Einem versierten Songschreiber wie Thicke darf man durchaus zutrauen, seine Liebe, Reue und Verzweiflung etwas subtiler auszudrücken, als er es hier rund 55 Minuten lang tut. Auf kompletter Albumlänge heult, haucht und fleht er Zeilen, mit denen er seine Paula wohl weniger dazu bewegen kann, zu ihm zurückzukommen, als die Polizei zu rufen, um ihr diesen schmierigen Kerl vom Leib zu halten. Überall riecht er ihren Duft und sieht sie vor seinen Augen. Er kann nicht ohne sie schlafen, will sie ständig im Arm halten, ihr gleichzeitig aber mehr Freiraum lassen. Und dann glotzt er nachts plötzlich in ihr Fenster und klopft an ihre Tür. Unendlich lang: "One, two, look at you / Three, four, she locked the door / I keep knocking and knocking and knocking and knocking."
Es ließe sich wahrscheinlich ein ausführliches psychologisches Gutachten anhand der Texte von "Paula" ausstellen. Als Beispiel reicht aber schon folgende Passage: "Don't leave me out here in the cold / Ooh turn the porch light on / At least open the doggy-door / Throw a friend a juicy bone." Verdammt, Robin, das ist echt unheimlich!
So vermitteln die erdrückend offensichtlichen Lyrics - die eigentlich von Paula, in letzter Konsequenz aber nur von Thicke selbst handeln - über weite Strecken leider weniger den Eindruck einer charmanten und gewitzten Rückeroberung als den eines egoistischen und besessenen Creeps. Diese Annahme bestärkt auch das Cover. Dieses zeigt statt des Paares oder des gemeinsamen Hauses lediglich Robin selbst, der nicht mehr oder weniger bedröppelt aus der Wäsche guckt als auf seinem sabbernden Titten-Pop-Werk "Blurred Lines".
Wer es jedoch schafft, die Texte vollkommen auszublenden - oder besser: gar kein Englisch kann - dürfte "Paula" für ein wirklich gelungenes Album halten. Die Zutaten hierfür bringt es durchaus mit. Für alle anderen ist es das unheimliche Tagebuch eines Stalkers. (Quelle: Laut.de)

Tracklist:
1. You're My Fantasy (05:56)
2. Get Her Back (03:33)
3. Still Madly Crazy (02:55)
4. Lock the Door (04:20)
5. Whatever I Want (03:45)
6. Living In New York City (03:25)
7. Love Can Grow Back (03:26)
8. Black Tar Cloud (03:25)
9. Too Little Too Late (02:54)
10. Tippy Toes (03:07)
11. Something Bad (03:40)
12. The Opposite of Me (03:00)
13. Time of Your Life (02:56)
14. Forever Love (05:01)

Clip:

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