El Perro Del Mar - KoKoro
Wer behauptet, Multikulti würde nicht funktionieren, sollte nicht über Musik sprechen. Schon Impressionisten wie Claude Débussy verstörten ihre Zuhörer mit Harmonien aus der javanischen Gamelan-Musik, die Beatles erweiteten in Indien nicht nur den Horizont ihres Bewusstseins, sondern auch ihr Repertoire an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten, und Vampire Weekend verdrehen der Musikwelt nicht zuletzt mit ihren unglaublich eingängigen Afrobeat-Elementen den Kopf. Sarah Assbring, besser bekannt als El Perro Del Mar, hat für ihr neues Album gleich die gesamte Instrumentensammlung eines Völkerkundemuseums gekapert: Die japanische Shakuhachi-Flöte, arabische Streichinstrumente, die zitherähnliche, aus der amerikanischen Folklore bekannte Dulcimer sowie äthiopische Trommeln – auf "KoKoro" gibt es eine Menge zu hören.
Für diesen musikalischen Kosmopolitismus nennt die Schwedin zwei Gründe: einen ästhetischen und einen politischen. Erstens will sie mit westlichen Hörgewohnheiten brechen ein ein Element der Überraschung einbringen. In ihrem Auftritt hat Assbring das Konzept Stilbruch bereits perfektioniert: Auf den Pressefotos sieht man sie mit ultrakurzen Haaren und Outfits, die so aussehen, als hätte sie diese nicht wie unter Stockholmer Hipstern üblich im Second-Hand-Laden, sondern gleich auf der Sperrmülldeponie besorgt. Einfach und oberflächlich ist bei Assbring nichts, und das gilt auch für ihre Musik. Die musikalischen Einflüsse aus aller Welt verwendet sie nicht für einen billigen exotisierenden Effekt, sondern verwebt gewohnte und ungewohnte Klänge zu einem stimmigen und neuen Ganzen.
Assbrings leicht entrückte Stimme bildet dabei einen spannenden Kontrapunkt zu vibrierenden Rhythmen und einem Meer an gezupften und gestrichenen Saiten. Sie selbst brachte es in in einem Interview selbst auf den Punkt, als sie diesen Sound als "auf verrückte Weise fröhlich" bezeichnete. "KoKoro" ist lebhafter als die melancholischen, von Weltschmerz erzählenden Vorgängeralben und bei Stücken wie "Ding sum" oder "Nougat mind" sogar regelrecht tanzbar. Das hat wohl auch damit zu tun, dass Assbring nach der Geburt ihres Sohnes vieles in ihrem eigenen Leben, worüber sie zuvor endlos gegrübelt hatte, auf einmal kaum mehr relevant erschien. Kein Wunder, dass die Songs dazu aufrufen, sich aus lähmender Selbstbezogenheit zu befreien und einen Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen.
In einer Zeit, in der Menschlichkeit und Moral oft auf der Strecke bleiben, wolle Assbring nach eigenen Aussagen ein grenzenloses Album machen, mit einer universellen Stimme und einem universellen Herz. Klingt nach Pathos? Zum Glück nimmt sich die Schwedin der Aufgabe augenzwinkernd und mit viel Selbstreflektion an: zum Beispiel im Song "Breadandbutter" mit der Reihung "We all come from the bellybutton / We all come from the very bottom / We all come for the bread and butter." Wie gewohnt geht Assbring minimalistisch mit Text um, spielt mit fast identischen Zeilen und kaum merklichen Verschiebungen und sorgt dadurch dafür, dass man umso aufmerksamer zuhört, wenn sie auf einfache, aber treffende Weise gesellschaftliche Engstirnigkeit analysiert: "Ignorance grows in the dark / Clean your window." Es wäre also zu wünschen, dass das Album beim Zuhörer eine Öffnung hin zu Neuem bewirkt – nicht nur in musikalischer Hinsicht.(Quelle: Plattentests)
Tracklist:
- Endless ways
- KoKoro
- Breadandbutter
- Clean your window
- Ging ging
- Kouign-Amman
- A-bun-dance
- Hard soft hard
- Ding sum
- Nougat mind
Breadandbutter
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