Dhani Harrison - In///Parallel
Dhani Harrison war mal mit einer Isländerin verheiratet, ist aber selbst kein Isländer. Wäre er das, müsste man annehmen, dass sein Vater Harris heißt. Heißt er aber natürlich nicht. Der Erzeuger des 39-Jährigen ist kein Geringerer als der selige Beatle George Harrison. Da kann man es sich durchaus einige Jahre im Musikbusiness gutgehen lassen, mit Eric Clapton, dem Wu-Tang Clan oder Jakob Dylan – noch so ein Legenden-Sprössling – musizieren, ohne sich selbst dabei zu sehr festzulegen. Insofern ist es bemerkenswert, dass Harrison sich in seinem Alter doch noch aufschwingt für ein erstes echtes Soloalbum unter eigenem Namen. Die familiäre Abstammung ruft selbstverständlich gewisse Erwartungen hervor, an melodische Virtuosität, an Universalität, an das Pop-Verständnis. "In///Parallel" erfüllt diese nicht. Es zerstäubt sie.
Sperrig und ungemütlich hat Harrison die meist ausufernden Elektro-Epen auf seinem Erstling konstruiert. Ein Schleier der Paranoia liegt über den zehn Songs, die dicht ineinander greifen und ein beeindruckendes Gesamtwerk schaffen. Gleich der Opener "Never know" ist so ein fantastische Reise, die sich im positiven Sinne nach mehr anfühlt als ihre fünf Minuten Spielzeit. Dabei ist der Einstieg einer der melodischeren und optimstischer gestimmten Ausflüge. Das folgende "#Waronfalse" trägt die Entschlossenheit nicht nur im Titel, sondern unterstreicht seine Kritik an moderner Meinungsmache mit fies surrenden Elektroattacken und noisigen Zwischenschüben. St. Vincent würde diese wunderbare Distortion auch nicht von der Mischpult-Kante schubsen. Die dystopische Stimmung könnte glatt Terry Gilliams "Brazil" untermalen.
Schnell wird klar, dass Stimmen, Instrumente und Gefühlslagen nur Spielbälle der Werkzeuge auf "In///Parallel" sind. "I was shaking and cold / Pale and afraid / With a long, long way to go", hallt Harrisons hohe Stimme durch das programmatisch benannte, eiskalte "London water". Seine Duettpartnerin Mereki gesellt sich ans Mikro für eine Art Dialog, Streicher tragen den Song, den kakophonischen, gewaltigen Ausbruch sieht man keinesfalls kommen. Genau wie man generell schwer vorhersagen kann, welche Wendung ein Song nimmt. "Úlfur resurrection" hat mehr als nur eine Prise R'n'B in sich, spiegelt diesen jedoch im abgedunkelten Ton der Platte wider und bringt am Ende noch ein lärmiges, verzerrtes Gitarrensolo unter. "Summertime police" brütet tatsächlich irgendetwas in der Hitze mit seiner mit Echo versehenen Gitarre aus, die vielen Details im Hintergrund unterlegen einen Moment der Besinnung. "When I was 17 / My dreams would last a night / And I could only feel / One evening at a time."
Dass erst gegen Ende die einigermaßen poppige Single "All about waiting" auftaucht, ist ein gewisses Zeichen, das Harrison setzt. "In///Parallel" ist sicher kompromisslos, dabei aber keinesfalls sich verschließend. Im Gegenteil, es könnte sogar ganz unterschiedliche Zielgruppen erreichen. Wer anspruchsvollen R'n'B im Stil von Kelela oder FKA Twigs mag, bekommt eine düstere Vision davon geliefert. Für diejenigen, die The Knife vermissen, bietet Harrison neue Elektropop-Ungetüme zum dran Knabbern. Und letztlich könnte "In///Parallel" auch auf Dauerrotation bei denen landen, die Steven Wilsons jüngere Outputs als zu straight, poporientiert und wenig fordernd empfanden. Die Platte wird sich in diesem Sinne dank ihrer Reichhaltigkeit noch eine ganze Weile halten. Sie fordert – und reicht einem doch stets die Hand.(Quelle: Plattentests)
Tracklist:
- Never know
- #Waronfalse
- Úlfur resurrection
- Downtown tigers
- London water
- Summertime police
- Poseidon (Keep me safe)
- The light under the door
- All about waiting
- Admiral of upside down
All about waiting
Clip:
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