Franz Ferdinand - Right Thoughts,Right Words,Right Action


Vor einem Jahr sah die Sache noch folgendermaßen aus: Franz Ferdinand spielten ein Konzert auf dem Berlin Festival und wurden von den Hauptstadtkids freundlich durchgewunken. Nicht, dass irgendjemand buhte oder pfiff. Es war schlimmer. Die Jugend ging andere Wege und ließ die Herren auf der Hauptbühne links liegen. Franz Ferdinand, so dachte man, seien „vorbei“, „durch“. Und irgendwie dachte man auch: Eine wirklich gute Platte würde von denen nicht mehr kommen. Das letzte Lebenszeichen stammte immerhin vom Jahr 2009: „Tonight: Franz Ferdinand“ war eine keinesfalls schlechte, aber eine recht rat- und manchmal auch lustlose Angelegenheit.
Alex Kapranos, der schöne Mann mit den griechischen Wurzeln, Nick McCarthy, der dank einer Jugend im Voralpenland ein herrliches Oberbayrisch spricht, und ihre beiden Mitmusiker Paul Thomson und Robert Hardy verabschiedeten sich auf diesem Werk vom Dance-Rock, der die ersten Platten prägte, und setzten auf einen experimentelleren, elektronischer geprägten Sound. Danach vergaß man die Band irgendwie, wie man all diese Bands der vornehmlich britischen Gitarrenrockexplosion von vor einigen Jahren vergaß. Man wandte sich anderen Dingen zu. Auch anderen Künstlern. Und Franz Ferdinand taten wenig, um das zu verhindern: Während sie die Entstehung der vorherigen Platten stets auf irgendeine Art und Weise dokumentierten und der Öffentlichkeit zugänglich machten, herrschte plötzlich das große Schweigen. Niemand hätte sich gewundert, wäre die Band still und leise eingeschlafen.
Doch die Gruppe aus Glasgow entschied sich anders und ist plötzlich wieder da. An einem Sommertag sitzen Gitarrist McCarthy und Sänger Kapranos auf der Terrasse eines Zwanziger-Jahre-Hotels in Berlin, um über ihr neues Album zu sprechen. Es heißt „Right Thoughts, Right Words, Right Action“ und zeigt die Stärke der Band nach nicht einmal einer Minute auf. Franz Ferdinand haben immer noch jenen sofort definierbaren Sound, dessen Herzstück sich seit der Debütsingle „Darts Of Pleasure“ (2003) nicht verändert hat. Es ist ein rumpelnder, aber eigentlich sehr präziser Rock, der sich gleichermaßen auf die Kinks und auf Gang Of Four bezieht und dabei ungemein klug wirkt. „Wir wollen Musik machen, zu der die Mädchen gerne tanzen“, sagte Alex Kapranos seinerzeit. Die britische, seit Jahrzehnten zur Hysterie neigende Pop-Zeitschrift „NME“ äußerte sich deutlicher: „Diese Band wird dein Leben verändern“, schrieb sie über Franz Ferdinand. Heute wirken beide Zitate etwas muffig. In Zeiten, in denen die Trends immer kurzlebiger werden, verändern Bands keine Leben mehr. Höchstens den ein oder anderen Sommer.
Und die Mädchen, die seinerzeit zu Franz Ferdinand tanzten? Nun, die gehen heute wohl nicht mehr in die Disco. Da läuft schließlich auch ganz andere Musik. Auf jeden Fall haben Franz Ferdinand ein sehr gutes Album produziert, dessen zehn Songs nie die Viereinhalbminutengrenze überschreiten und sich stets auf große Melodien, markige Hooklines und zitierfähige Refrainzeilen verlassen.
Warum es so lange gedauert hat? „Ich habe ein Kind bekommen“, sagt der 38-jährige McCarthy, und er sgat das so, als habe er den Bus verpasst. Natürlich steckt mehr dahinter. Man habe, so ergänzt Kapranos, keine Lust mehr auf die Mechanismen der Musikwirtschaft gehabt. „Ich wollte mich diesem Platte-Tour-Platte-Tour-Rhythmus entziehen“, sagt er. Er beschäftigte sich also mit anderen Dingen, produzierte etwa für die britischen Newcomer Citizens! Und bei den Aufnahmen für „Right Thoughts“ ließ man sich nicht hetzen. Man werkelte so vor sich hin. Und andere machten mit. Hot Chip, Bjorn Yttling (Peter, Bjorn & John) oder der norwegische Disco-Nerd Todd Terje schauten jeweils für ein, zwei Songs vorbei. Zur Essenz von Franz Ferdinand, so sagt der 41-jährige Alex Kapranos, habe man zurückkehren wollen. Vier Mann in einem Raum. Genauer gesagt: Vier Freunde, die sich über eineinhalb Jahre immer mal wieder trafen und an den Songs feilten. Keinerlei Druck, was wiederum die Erklärung für oben erwähntes Schweigen sein mag. Wenn niemand Erwartungen hat, wenn weder Fans noch Plattenfirma ungeduldig mit den Hufen scharren, kann man in Ruhe arbeiten.
Diese Arbeitsatmosphäre hat der Band offenbar gutgetan. „Love Illumination“, der Titeltrack von „Right Action“, oder das zackige „Bullet“ besitzen all jene Qualitäten, die schon das Frühwerk ausmachten. Die vielen Ideen, die die letzte Platte so zerrissen, wurden ausgearbeitet und als gleichberechtigte Bestandteile in den Franz-Ferdinand-Kosmos eingeführt. Vielleicht sind die Songs aber auch so gut, weil sie Geschichten erzählen. Das fiel noch nie so sehr auf wie jetzt. Dabei sagt Kapranos: „Ich glaube nicht, dass ein guter Popsong eine Geschichte braucht. Ein guter Popsong kann völlig inhaltsfrei sein. Aber in jedem Franz-Ferdinand-Song steckt eine Idee. Zumindest in jedem guten.“ Einige verrät er. Es gehe um den bösen Blick und seine Ursprünge in der griechischen Mythologie, um Beerdigungen, um den Zufall und um Flohmarktpostkarten, auf denen Sätze stehen wie „Come home, practically all is nearly forgiven“, was schließlich zum ersten Satz des ersten Songs der Platte wurde. Alex Kapranos fabuliert also über allerhand Abgründe und Abseitigkeiten, verliert dabei aber niemals seinen Humor. Er nimmt sich – und das mag das Geheimnis der Band sein – nie ganz ernst, obwohl er alles Recht dazu hätte. (Quelle: Tagesspiegel)

Tracklist:
1. Right Action
2. Evil Eye
3. Love Illumination
4. Stand on the Horizon
5. Fresh Strawberries
6. Bullet
7. Treason! Animals
8. The Universe Expanded
9. Brief Encounters
10. Goodbye Lovers & Friends

Clip:
Right Action

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