The men - Tomorrow's hits


Das letztjährige Album von The Men führte mich bereits dazu, die New Yorker als “Meta-Band” zu bezeichnen, weil sie geschickt mit Versatzstücken und Zitaten der Musikgeschichte, der bandeigenen Musiksozialisation, aber auch mit der Erwartungshaltung und dem Erfahrungshorizont der Hörer spielen und weil sie mithilfe des Zitats oder der Paraphrase ihr Wissen um die Musikgeschichte in etwas Neues, Diskursives übersetzen. Diese Einstellung speiste sich zu einem großen Teil aus der Tatsache, dass sich die Band von Album zu Album scheinbar „neu“ erfand.
Nun steht mit „Tomorrow’s Hits“ schon das fünfte Studioalbum in den Startblöcken und auch diesem könnte man sich wieder über das Covermotiv nähern. Von der floralen Symbolik der beiden Vorgänger ist nichts mehr geblieben. Vielmehr ziert das Cover von „Tomorrow’s Hits“ eine beinahe altmodisch anmutende Neonreklame, die genau dieses – „Tomorrow’s Hits“ – postuliert. Das Motiv folgt dabei einer Fluchtpunktperspektive, welche den Betrachter optisch in die Tiefe führt – zum Eintritt einlädt. Dieser Eintritt kann durchaus wörtlich genommen werden, evoziert eine solche Leuchtreklame doch die Music-Hall, den Ballroom als Aufführungsort der musikalischen Performance und ihre Neonaufmachung eine fast vergangene, im Verschwinden befindliche Epoche. Ihr ist, jedoch fest im kollektiven popkulturellen Unterbewusstsein verankert, eine gewisse Nostalgie an Zeiten des Aufbruchs und der Ausgelassenheit eingeschrieben. Man fühlt sich erinnert an die streckenweise verruchten Veranstaltungsorte, in den dunklen Bereichen der Großstädte oder irgendwo auf den platten Land in einer alten Scheune, die unbekannteren Bands die Möglichkeit zum Spielen boten (und teilweise noch bieten) und eben für sich proklamierten, hier würden die „Hits von Morgen“ geboten und die ihr Publikum mit solchen Lichtzeichen anzulocken suchten wie Motten.
Musikalisch übt sich „Tomorrow’s Hits“ im direkten Vergleich zum Vorgänger „New Moon“ und den anfangs erwähnten Neuerfindungen und Genrewechseln – auch innerhalb von Alben – vordergründig nur noch in der Verfeinerung des eingeschlagenen Weges. Die Mundharmonika trötet, das Saxophon röhrt, das Klavier klimpert uns den Boogie Woogie, der gute alte Geselle Soul schaut vorbei und die Band rockt spielfreugig drauflos, dass es „The Boss“ vor Verzückung die Freudentränen in die Augen treiben könnte. Mehr Classic-Rock waren The Men noch nie. Aber The Men wären eben nicht The Men, wenn man nicht doch einen doppelten Boden, eine Metaebene, auch wenn diese vielleicht von der Band gar nicht intendiert ist, im Dargebotenen finden könnte. Hier kommt wieder die Neonreklame ins Spiel und die Vorstellung von Clubs, die dadurch evoziert wird: Diese sind eben nicht nur der vermeintliche Hort der Hits von Morgen, sondern auch der ewig Vergessenen, die sich nie ins Rampenlicht einer Weltöffentlichkeit spielen konnten und die dennoch Woche für Woche auf die Bühne gehen und sich die Seele aus dem Leib rocken und einfach eine gute Zeit haben wollen (und ich meine jetzt keine Coverbands). Diesen Bands setzen The Men, gewollt oder ungewollt, auch durch die nostalgische Tönung ihrer Musik ein Denkmal. Und ich komme nicht umhin, mich tief vor dieser amerikanischen Band, vielleicht einer der besten gegenwärtig, zu verneigen und zu sagen: Danke dafür! (Quelle: auftouren.de)

Tracklist:
1. Dark Waltz
2. Get What You Give
3. Another Night
4. Different Days
5. Sleepless
6. Pearly Gates
7. Settle Me Down
8. Going Down

Clip:
Pearly Gates

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