Till Brönner and Dieter Ilg – Nightfall
Er ist neben dem Pianisten Michael Wollny der einzige deutsche Jazzmusiker mit einem Abo für die Pop-Charts. Aber genau diese Massentauglichkeit werfen manche Kritiker dem Trompeter und Sänger Till Brönner oft mit verbissener Häme vor.
Sie müssten bei «Nightfall» (Sony), Brönners neuer Platte mit dem bekannten Kontrabassisten Dieter Ilg, eigentlich Abbitte leisten. Denn hier setzt der 46-Jährige einen beeindruckenden Kontrapunkt zum (natürlich enorm erfolgreichen) Vorgängeralbum, der smarten Sinatra-Hommage «The Good Life» (2016).
Vielleicht hatte Brönner da schon «Nightfall» im Kopf, diese mit einem schönen Cover im klassischen Blue-Note-Stil ausgestattete Jazz-Platte voller Überraschungen. Mit einer inspirierten Version von Leonard Cohens «A Thousand Kisses Deep» geht es los und mit Ornette Colemans «The Fifth Of Beethoven» in freierem Ton weiter, ehe das von Brönner/Ilg gemeinsam komponierte Titelstück als nächtliche Meditation bezaubert.
Die Mischung bleibt bunt: Zwei weitere Eigenkompositionen, Standards wie «Nobody Else But Me» (Jerome Kern/Oscar Hammerstein III), «Eleanor Rigby» von den Beatles, das «Air» von Johann Sebastian Bach gefolgt von Britney Spears' Hit «Scream & Shout». So reduziert der Ton und die Arrangements dieses Duo-Albums naturgemäß sind, so abwechslungsreich ist das Material. Am Ende steht eine ergreifende, fast sphärische Deutung des geistlichen Liedes «Ach bleib mit deiner Gnaden» von Melchior Vulpius (1570-1615).Über Brönners Debüt mit Dieter Ilg heißt es in den Liner-Notes: «Es gibt musikalische Konstellationen, die so naheliegend sind, dass sich die Frage aufdrängt, warum sie nicht schon lange Wirklichkeit geworden sind.» Beide Künstler seien «im wahrsten Sinne des Wortes Geistesverwandte». Der Trompeter selbst sagt über «Nightfall» einen für manche Jazz-Puristen vielleicht überraschenden Satz: «Die Reduktion auf das Wesentliche hat mich Zeit meiner Karriere immer umgetrieben. Mit diesem Projekt wird ein langgehegter Wunsch Wirklichkeit.»
Im dpa-Interview hatte Brönner über seine unverbrauchte Ambition, etwas Unerwartetes zu tun, gesagt: «Aber auch das mache ich dann nicht für die Anerkennung anderer, sondern letztlich für mich selbst.» Mit «Nightfall» beweist Brönner an der Seite einer anderen Jazz-Koryphäe, dass mit ihm immer zu rechnen ist. (Quelle: Stern)
Tracklist:
01. A Thousand Kisses Deep
02. The Fifth of Beethoven
03. Nightfall
04. Nobody Else But Me
05. Air
06. Scream & Shout
07. Wetterstein
08. Eleanor Rigby
09. Peng! Peng!
10. Body & Soul
11. Ach, bleib mit Deiner Gnade
Clip:
Recording Nightfall
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