Idlewild - Everything ever written
Roddy Woomble, Rod Jones und Co. haben gewiss niemandem mehr etwas zu beweisen. Mehrfacher Gold-Status, eine Top-Ten-Single und zwei Top-Ten-Alben im Vereinigten Königreich sind aber gewiss nur die eher oberflächliche Betrachtung einer der wichtigsten UK-Alternative-Rockbands der vergangenen Dekade. Idlewild sind viel mehr ein wegweisendes Bindeglied zwischen der Grunge-Ära ihrer Gründungsphase und der neu aufkommenden Welle britischer Rockacts, denn eine kommerziell orientierte Band. Und nebenbei verantwortlich für Genre-Meisterwerke wie "100 broken windows" oder "The remote part". Ende der Nullerjahre aber kommt die Band von der gemeinsamen Linie ab, sogar die treue Anhängerschaft hatte ihre liebe Mühe mit einer zerfahrenen Platte wie"Post electric blues". Zeit also, den Soloprojekten mehr Raum zu geben. Sänger Woomble trieb sich ohnehin schon länger mit diversen Folk-Kollaborationen auf urschottischen Klangpfaden herum, Gitarrist Jones' prominentestes Projekt war sicherlich "The Birthday Suit".
Schon 2013 jedoch brennt in beiden Haupt-Protagonisten wieder das Feuer für die Band. Kreativer und freier denn je klängen die schon geschriebenen Songs für dieses siebte Idlewild-Album, ließ man damals verlauten. Und richtig: "Everything ever written" darf man aufs erste Hören definitiv als ein gewagtes Comeback bezeichnen. Die Hoffnung, furios lospreschende Idlewild 2.0 zu begrüßen, darf aber schon im Keim erstickt werden. Das ruppigere "On a another planet" fräst zwar ein paar Späne aus dem Dielenboden, und auch die Single "Collect yourself" wirft im Refrain einen Idlewildschen Widerhaken aus, kommt aber um ein etwas nerviges Classic-Rock-Riff und einen Chor nicht herum. Damit steht sie irgendwo stellvertretend für Idlewild im Jahr 2015: Dieses Album kann nicht zu 100 Prozent als Spiegelbild der musikalischen Sidesteps der vergangenen Jahre gedeutet werden. Es blendet sie aber auch keinesfalls aus, entwickelt sie in Richtung eines gemeinsamen Nenners weiter, der sich irgendwo zwischen Americana und Folk verorten lässt. Nur so kann man gewöhnungsbedürftige Songs wie "So many things to decide" vielleicht nachvollziehen.
Auch "Come on ghost" zeigt die neuen Ambitionen, zündet aber erst durch die wegweisende Jones-Gitarre und das furiose Finale. Noch höher hinaus will der gitarrenverliebte Siebenminüter "(Use it) If you can use it". Etwas seicht, aber durchaus hübsch-melodiös kommt das an ruhige R.E.M. erinnernde "Every little means trust" daher. Mit Luciano Rossi (Piano, Orgel, Gesang) und Andrew Mitchell (Bass, Gitarre, Gesang) kommt das erweiterte Bandgefüge in der musikalischen Bandbreite deutlich zum Tragen, aber leider werden Piano-getragene Kompositionen wie "Left like roses" dadurch nicht automatisch zu einem guten Ben-Folds-Song. "Utopia" punktet dann durch Reduktion auf Stimme und Piano, aber wenn wir ehrlich sind: Halbwegs knackige Dreiminüter wie "Radium girl", mit schöner Melodieführung im Refrain, klingen zwar auch nicht ganz wie früher, passen aber doch besser ins Bild, solange jenes mit der Aufschrift Idlewild verziert ist. Ist "Everything ever written" nun der von der Band angekündigte Neubeginn oder eher doch eine Momentaufnahme? Das können – selbst, wenn sie es nicht beabsichtigen – nur Idlewilds nächste Taten beweisen.(Quelle: Plattentests)
Tracklist:
- Collect yourself
- Come on ghost
- So many things to decide
- Nothing I can do about it
- Every little means trust
- (Use it) If you can use it
- Like a clown
- On another planet
- All things different
- Radium girl
- Left like roses
- Utopia
Collect yourself
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