Neil Young - Peace trail




Es ist ein sinnbildliches Eingeständnis, kaum hat sein 37. Album "Peace trail" begonnen: Neil Young kann nicht aufhören, das singt er zu unaufgeregtem Gitarrenfolk mit sanften Drums, bis eine E-Gitarre aufjault. Arbeiten, das zehrt zwar an seinem Körper, aber heilt seine Seele und wird für diesen gealterten Hippie-Revoluzzer die einzige Möglichkeit sein, auch einmal durchzuschnaufen. 2016 war für ihn ein Jahr mit einigen Schockstarren, das ist in den vielen Videos zu sehen, in denen ein etwas fahrig wirkender Young gegen Donald Trump, Ölkonzerne und all die großen Bösen wettert. War sein erst vor wenigen Monaten erschienenes Livealbum "Earth", das die letztjährige Tour dokumentiert und Young-Klassiker mit Krähenschreien und lauten Windstößen verfremdet, noch halbherzig bemüht und angestrengt, was die klimarettende Botschaft betrifft, ist "Peace trail" der besänftigende Jahresabschluss.
Zumindest vonseiten der Musik. Innerhalb von vier Tagen wurde aufgenommen, in den naturgrünen Shangri-La-Studios von Rick Rubin, auch wenn dieser eben nicht produziert hat. Jim Keltner spielte Schlagzeug, Paul Bushnell den Bass, Neil Young hat den Rest übernommen, was das Album knapp und schmucklos klingen lässt, weil soviel gesagt, kommentiert, gesungen und verstanden werden muss. Keine Revolte der Inbrunst, eher eine sanfte Verwunderung ist zu hören. Das beginnt mit dem voranwälzenden Titelsong, einem Duett zwischen zwei Neil Youngs, von denen einer durch den Vocoder gescheucht wird, was diese kindliche, unschuldige Stimme noch verletzlicher und eingeschüchterter klingen lässt. Wie ein hauchender Geist.
Ebenjener pinselt auch "Indian givers", in dem Young den Sioux-Indianern zur Seite springt, die gegen eine Öl-Pipeline protestieren, die vier US-Bundesstaaten und eines ihrer Reservate durchqueren soll. "I wish somebody would share the news" heißt es dort, in diesem schlichten, gitarrenakustischen Weckruf, der mit einer inneren Spannung auskommt. Wer diese Nachricht teilen könnte? Zumindest verändert sich das US-Trumpland, wenn, wie kürzlich verkündet wurde, seriöse libertäre Blätter wie der New Yorker einen großen Zuwachs an Abonnenten verzeichnen. Und sollte dies nicht ausreichen, dann gibt es ja noch Neil Young, der mit "Terrorist suicide hangliders" gegen die stumpfe Angst ansingt, in jedem Einwanderer einen Terroristen zu vermuten, oder der in "John Oaks" die Black-Lives-Matter-Bewegung und deren Schrei nach Freiheit und Gerechtigkeit und gegen Polizeibeliebigkeit unterstützt. Nur der Sänger selbst, der schreit nicht mehr. Die Songtexte von "Peace trail" regen sich auf, die Songs selbst bleiben leise und klarer als die Verfremdungsexperimente auf "Le noise" von 2010.
Ein wenig verloren kommt er sich dennoch vor, dieser Grantler, der nur wenige Wochen vor der Veröffentlichung von "Peace trail" 71 Jahre alt wurde. Weshalb er in "My pledge" ganz offenherzig zugibt, dass er eben aus einer anderen Zeit, einer anderen Generation stammt und diese an den Smartphones daddelnden, sich nur oberflächlich politisch gebenden Jugendlichen nicht versteht. Was er auch nicht versteht: Roboter, die in "My new robot" von Amazon stammen und sprechsingend staubsaugen. Ein schwacher Song mit schwachem Humor. Aber davor liegt noch "Show me", das ähnlich unverwüstlich klingt wie "Heart of gold". Und wenn die Welt schon durchdreht, hofft Neil Young weiter auf das Gute. Ob mit goldenem Herz oder ohne.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
1. Peace Trail 5:32
2. Can't Stop Workin' 2:45
3. Indian Givers 5:41
4. Show Me 4:02
5. Texas Rangers 2:30
6. Terrorist Suicide Hang Gliders 3:17
7. John Oaks 5:12
8. My Pledge 3:54
9. Glass Accident 2:53
10. My New Robot 2:33


Clip:
Peace Trail

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