Karen Elson - Double Roses




Um singende Models, so rät man, gilt es einen weiten Bogen zu machen. Bei singenden Schauspielern verhält es sich leider kaum anders. Manchmal ist es auch genug der Versuche, alles zu können und alles zu zeigen. Mit Karen Elson verhält es sich jedoch anders, zumindest bezüglich singender Models. Zum einen ist sie ohnehin eines der rätselhaftesten Wesen der funkelnden Glamourwelt, Spitzname "Le Freak", auf ihren Fotografien schaut sie so teilnahmelos drein, als würde sich das Drumherum wenig jucken, weil in ihrem Kopf sowieso viel mehr geschieht. Zum anderen war ihr 2010er Debüt "The ghost who walks" formidabel, ging aber ein wenig unter in dem ganzen Bohei um sie und ihren Ehemann Jack White, die spätere Scheidung und was die Klatschpresse stets aufwühlt, um vollkommen Uninteressantes halbwegs uninteressant zu machen.
"The ghost who walks" hatte eine starke Jack-White-Prägung, schlug einige Folkzoten und viele Bluesnoten an – die Musik, die das Ehepaar Elson-White den ganzen Tag hörte. Aber dieses Ehepaar ist Geschichte und saß für "Double roses" nicht beisammen. Elson fand andere Unterstützung: Laura Marling singt im Hintergrund von "Distant shore", übermalt von sehnsüchtigen Streichern, Pat Carney von The Black Keys hat einige gemächliche Schlagzeugspuren eingespielt, Father John Misty und Wilcos Pat Sansone sind ebenfalls mit von der Partie. Abgemischt hat Jonathan Wilson, der auch schon Conor Oberst oder Jackson Browne produzierte. Was sich liest wie eine All-Star-Band des zeitgenössischen amerikanischen Folkrock, klingt auch so, verlässt also das Nashville des Debüts, wenngleich in ruhigerer Abwandlung und sonderbarer. Elson ist schließlich Britin und "Le Freak".
Ihre Songs sind sacht, umkreisen die eigene Melodie, etwa mit Harfen im eröffnenden "Wonderblind", bleiben jedoch durch Elsons kräftige Stimme dezidiert. Der stärkste Kontrast zum Vorgänger, der sich dunkler gab, als er eigentlich war und in dem die Harmonica die Songs auch mal erdrückte, sind die luftigen Arrangements von "Double roses". Eine Frohnatur ist Elson immer noch nicht, in "Call your name" schwört sie, diesen einen Namen nicht mehr zu auszusprechen, der ihr Untergang wäre, aber immerhin schwärmt sie ein wenig. Nicht in den Songtexten, die düster von wütenden Seen und schwarzen Löchern in ihr erzählen, dafür überdreht ein Saxophon in "Wolf" oder behaucht ein wohliger Chor "Million stars". Freakig-blutleer ist das nicht, vielmehr verstiegen-warmblütig. Und wenn es mal hymnisch wird, erinnert das an Florence Welch, inklusive deren weltumarmende Gesten auf dem Glastonbury Festival.
Hauptgrund der Misere mit singenden Models ist oft, dass sie es mit der Oberflächlichkeit der einen Branche in der anderen versuchen. Elson erweist sich hingegen als tiefgründig und durchtrieben. "Why am I waiting?" kulminiert zu einem Swans-ähnelnden Wirrsal aus Stimme, Saiten und einem müden Schrei. Du bist mir entwischt, singt Elson zum Ende des Albums hin, ein wenig bitter, ein wenig endgültig, dennoch befreit. Das dürfen andere mit der Elson-White-Schablone hören, zumal sie selbst von einem "post-divorce album" sprach. "Double roses" darauf zu beschränken, würde unberücksichtigt lassen, dass es sich um eine geheimnisumwitterte Schönheit an Musik handelt.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
1. Wonder Blind (03:52)
2. Double Roses (06:08)
3. Call Your Name (04:35)
4. Hell and High Water (04:14)
5. The End (03:59)
6. Raven (03:23)
7. Why Am I Waiting (04:48)
8. A Million Stars (04:52)
9. Wolf (06:26)
10. Distant Shore (04:15)


Clip:
Call your name

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