Nive Nielsen & the Deer Children
Geschichten
erzählen auf dem heimischen Dachboden – von alltäglich bis absurd, von melodisch
bis kantig-schroff. Nive Nielsen wagt einen Genre-Rundumschlag und wahrt
dennoch in Form. (Foto: Glitterhouse Records) Allein schon der Fakt, dass wir
es hier mit einer Grönländerin zu tun haben, spräche an sich schon für eine
Klassifizierung als Underdog. Ihre Landsleute würden uns für diese Aussage wohl
die Platte um die Ohren schleudern und belehren, was es mit der Person Nive
Nielsen auf sich hat – uns bliebe nur ein beschämter Blick nach unten: Die
Singer/Songwriterin aus Nuuk ist bisher nämlich nicht allein durch ihre Musik aufgefallen,
auch als Moderatorin verschiedener Jugend- und Kinderprogramme. Auch als
Schauspielerin in Terrence Malicks Epos "New World" an der Seite von
Colin Farrell konnte sie sich einen Namen machen. Sollte das immer noch nicht
beeindrucken, wäre da noch ein Auftritt vor der dänischen Königin Margrethe II.
sowie ein eigenes Label namens Tutu Recordings. Hat sich der Skeptiker einmal
davon überzeugen lassen, erwartet ihn eine harmonisch-melodische, manchmal
kindlich verspielte oder auch schrammelige Klangwelt, die durch Eigenheiten
besticht. Die eingängigen Songs werden mit Details bestückt, sodass es oft
knistert, rauscht und rumpelt. Jedoch keineswegs verstörend – es fördert eine
Stimmung, die an Lagerfeuer-Romantik und Dachboden-Ästhetik erinnert, was wohl
nicht zuletzt daran liegt, dass einige Stücke tatsächlich auf dem heimischen
Speicher entstanden sind. Nichts wirkt glatt produziert, jeder Titel besitzt
seinen eigenen Charakter und versprüht nordischen Charme. Nive Nielsen &
The Deer Children - "Room" Neben Songs in Englisch präsentiert die
junge Dame nebenbei auch Songs in ihrer Landessprache Grönländisch – was sich
als schöne Abwechslung herausstellt. Ihre sanfte, kindlich bis rührselige
Stimme umschmeichelt den Hörer und erinnert nicht nur dadurch an die frühe
Feist, denn auch in der Leichtigkeit des Arrangements sowie dem humorvollen,
simplen Texten findet man Parallelen — man erinnere sich beispielsweise nur an
den Song "1,2,3,4", mit dem die kanadische Sängerin uns einst noch
einmal das Zählen beibrachte. Im Falle von Nive Nielsen droht sie zum Beispiel
einem Käfer mit dem "Vacuum Cleaner Killer" den Kampf an, außerdem
gibt es Geschichten über Kaffee und Geister. In sanfter Begleitung von Gitarre
und dezent einsetzenden bis herausstechenden Bläsern findet man sich im
verspielt, losgelösten bis unbekümmerten Klangkosmos wieder. Nive Nielsen
beherrscht jedoch auch die raueren Töne – kantige, psychedelische Sounds,
unerwartet verblüffende E-Gitarrenriffs und bedrückend-hypnotische Gesänge à la
Björk. Die Bandbreite ist überraschend groß, doch ergibt sich daraus ein
unerwartet ansprechend-originelles Soundgefüge. Nive Nielsen & The Deer
Children - "In My Head" (Converse-Session) Nicht unerwähnt sollten da
auch die Personen sein, welche der Platte zu dem verhelfen, was sie ist: Allen
voran der Produzent John Parish, der bereits durch die Zusammenarbeit mit PJ
Harvey, Tracey Chapman und Giant Sand bekannt sein dürfte. Auch die Gastmusiker
sind nicht zu verachten, so waren unter anderem Patrick Carney von The Black
Keys, Arlen Thompson von Wolf Parade und Howe Gelb beteiligt. In dieser
illustren Runde möchte doch jeder einmal auf dem Dachboden sitzen, Kaffee
trinken, Käfer durch den Staubsauger jagen und jene musikalisch verdammt gut
aufgestellte Grönländerin kennenlernen, die sich mehr rausnimmt als viele ihrer
europäischen sowie amerikanischen Kollegen.(Quelle: motor.de)
Tracklist:
01. Room
02. Good For You
03. Aqqusernit
04. Autoharps!
05. Pirate Song
06. Dear Leopold
07. My Coffe Boy
08. Circumstances
09. Rock'n'Roll (For Abner Jay)
10. Vacuum Cleaner Killer
11. Done & Gone
12. Winter Song
13. Uulia
14. Tuttukasik
Clip:
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