Pet Shop Boys - Elysium
Doch
wie? "Yes" hat 2009 fast alles gesagt, das es zu den Themen Pop-Song
und Ohrwürmer zu berichten gibt. Gleichzeitig legt es die Latte bei dem seit
2002 mehr und mehr wiedererstarkten Elektropop-Duo vermaledeit hoch. Ein Scheitern
erscheint vorprogrammiert.
Die
beiden Briten machen das einzig Vernünftige und ziehen sich musikalisch in ihr
Schneckenhäuschen zurück. "Elysium" bildet den Gegenpol zum
Vorgänger. Kam dieser noch einer Sommernachtsparty gleich, stehen nun
verblassender Ruhm, das Altern und der Abschied vom Leben eines Popstars im
Vordergrund. Heia, hussassa, der Herbst ist da. Die Stimmung ist gesetzter, die
Sounds stark retro gehalten.
Mit
fast sechzig sei es Tennant erlaubt, leise, melancholisch aber ebenso verschmitzt
über die Vergangenheit zu schwadronieren. Mit einer warmen Decke über den
Beinen und einer Tasse Tee in der Hand sitzt er am Fenster und schaut den
fallenden Blättern zu. "Still bedenk'
ich mich und frage, wer mag der Abgeschiedne
sein? Der Jüngling aus der vergangnen Zeit?"
Für
ihr mittlerweile elftes Studioalbum haben sich die Pet Shop Boys Andrew Dawson
als Produzenten ins Studio geholt. Der Mann, der vorher mit Kanye West,
Kelis
oder Common
gearbeitet hat, bringt den beiden Engländern etwas mehr Minimalismus bei. Ansonsten
ändert sich nicht viel. Die Pet Shop Boys sind die Pet Shop Boys sind die Pet
Shop Boys. Da ist es im Grunde völlig egal, ob sie von Rick Rubin,
David
Guetta oder einem antiken Kleiderschrank produziert werden.
Für
ihre neusten Maschinen haben Neil Tennant und Chris Lowe keine Verwendung mehr.
Sie greifen fast komplett auf die alten Sounds zwischen "Actually" und
"Behaviour" zurück. So verwundert nicht, wenn das prachtvoll
fließende "Leaving" einem untoten "Being Boring" gleich dem
Grabe ersteigt. "Our love
is dead / But the dead don't go away / They made us what we are / They're with
us every day."
"Invisible"
drosselt das Tempo auf das Minimum. Inhaltlich setzt sich die nachdenkliche
Ballade mit fortschreitender Bedeutungslosigkeit auseinander. "After being for so many years /
The life and soul of the party / It's weird / I'm invisible." Tennant
geht in Text und Melodie auf. Nach und nach scheint er zu verblassen, bleibt
zuletzt kaum greifbar. "Am
I tragic or a joke / Wrapped in my invisibility cloak?"
"Your Early Stuff"
bleibt dem Thema treu. Das Ausbleichen der eigenen Berühmtheit, das Leben als
ehemaliger Star. Wenn sich im Refrain die Zeilen "I still quite like
some of your early stuff" mit den Backgroundvocals "Hey,
what's your name?" vereinen, lässt sich die zunehmende Schwermut am
Schlafittchen fassen.
Tennant
greift auf seine eigenen Erfahrungen und die Floskeln Londoner Taxifahrer zurück.
"Meine Auswahl war riesig, denn ich fahre jeden Tag Taxi und werde doch
sehr oft erkannt." Einmal wurde er sogar mit Holly Johnson, Sänger von
Frankie
Goes To Hollywood, verwechselt. "Ja, da war ich fassungslos."
Dem
entgegen steht "Ego Music", dass sich ironisch mit der
Selbstinszenierung eines jungen, selbstverliebten Pop-Stars auseinandersetzt. "In the sea of negativity / I'm
statue of liberty / That's why people love me." Zu
verspieltem Elektrogefrickel fällt Tennant in den Sprechgesang der frühen
"Please"-Zeiten zurück, von dem ich gerne wieder mal mehr hören
würde. Leider köpft ein schrecklich einfältiger Refrain den Song und beraubt
ihn so seiner Schärfe.
"Everything Means
Something" wächst langsam, aber zügig, mit jedem Hören.
Eine verquere und düsterere Vision dessen, was passiert, wenn der entspannte
Pop der Pet Shop Boys auf Trip-Hop und Industrial
trifft. Mit "Face Like That" springen die beiden Musiker in
Begleitung von Blitz, Donner und Retro-Disco-Beats
unter ihren "Introspective"-Rettungsschirm. Zügellos bedienen sie
sich an ihrer eigenen Vergangenheit in den 1980ern.
Wäre
da nur nicht dieses ranzige "Hold On", über das ich immer wieder
stolpere. Warum bleibt das Negative immer hartnäckiger in Erinnerung? Dieses
barocke "Go West" im Midtempo, das mit Händel spielt, aber dank Chor
und einfallslosem Arrangement wie eine schäbige Musical-Nummer klingt, gehört
mit zum Schlechtesten, das die Pet Shop Boys bis heute veröffentlicht haben.
Wenn die Chorsänger die Durchhalteparolen schließlich auch noch einzeln
vortragen, verkommt der Track zu einer jämmerlichen "We Are The
World"-Kopie. Ja, sogar mieser als "Nackt Im Wind".
Doch
alles wird gut. "There's
got to be a future, Or the end will end today." Wenn
"Requiem In Denim And Leopardskin" mit dem Beat von "West End
Girls" beginnt, Tennants von Glitzerstaub angehauchter Gesang aber
kuschelweich und wehmütig in Richtung "Behaviour" abbiegt,
verschmilzt das Gestern mit dem Vorgestern zur Gegenwart. "This is our last chance for
goodbye / Let the music begin / Shining and souring like a requiem / In denim
and leopardskin."
Wieder
einmal wird manch ein Kritiker aufgrund dieser Worte das bevorstehende Ende der
Pet Shop Boys verkündigen. Nachdem diesen aber mit "Elysium" ein
feinfühliges, vor Altersweisheit strotzendes Album gelang, bleibt zu hoffen,
dass der Ruhestand der beiden Herren noch lange auf sich warten lässt. "Let the ride just take us /
Side by side and make us / See the world through new eyes every day."
Clip:
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