Apocalyptica – Shadowmaker
Nun haben sie es also doch getan. Natürlich waren Apocalyptica schon längst keine reine Instrumentalband mehr, auch wenn das 2013 mit dem MDR-Sinfonieorchester eingespielte "Wagner reloaded" und die letztjährige Tour mit dem finnischen "Avanti!"-Kammerorchester nochmals einen Ausflug in die Zeit darstellten, in der die vier Finnen Metal-Klassiker durch den Cello-Wolf drehten. Doch nachdem schon längst ein großer Teil der Songs auf den vergangenen Studioalben mit diversen durchaus namhaften Gastsängern eingespielt wurde, haben sich Eicca Toppinen und Kollegen nun doch final entschlossen, mit Franky Perez einen festen Vokalisten zu engagieren – einem Mann, der bislang weniger als Sänger, sondern eher als Gitarrist für Scars On Broadway oder im Tour-Lineup von Slash bekannt war.
Hätten sie es besser nicht getan. Denn die Finnen starten ihr achtes Studioalbum "Shadowmaker" mit einem Song, der mehr Fragen stellt als beantwortet. "Cold blood" ist nichts anderes als Alterna-Metal amerikanischer Prägung. Nicht nur, dass Perez völlig ausdruckslos und austauschbar singt, die Celli sind, von einem dezenten Solo abgesehen, kaum noch als solche zu erkennen. Das große Markenzeichen, dieser Aha-Moment der Marke "Moment mal, das klingt wie Gitarren, aber irgendwas ist anders" – komplett ausgemerzt, in beliebigem Radiorock ertränkt. Auch wenn dahin gestellt sein mag, ob dies auf Initiative der Band geschehen ist oder ob der normalerweise über jeden Zweifel erhabene Produzent Nick Raskulinecz seine Finger im Spiel hatte.
Gut nur, dass der folgende Titeltrack deutlich spannender ist. Denn abseits von Perez' Einheitsgeknödel bekommen die Cellisten hier doch noch den Raum, den sie benötigen, um ihre Virtuosität voll zu entfalten. Der Solopart zumindest macht Spaß und kann mit jeder Menge überraschender Ideen aufwarten. Beim Blick auf die weitere Trackliste keimt plötzlich richtig Hoffnung auf: Sollte sich mit "Reign of fear" etwa tatsächlich noch eine Coverversion eingeschlichen haben, vom gleichnamigen Debüt von Rage? Leider nein. Allerdings ist die Enttäuschung nur kurz, denn "Reign of fear" zeigt, wozu die Finnen imstande sind, wenn sie nicht in das kommerz-anbiedernde Konzept der ersten Songs gepresst werden: Wunderbarer Spannungsbogen, Atmosphäre, immer wieder kleinere Ecken und Widerhaken, an denen es sich festzukrallen lohnt.
Ansonsten jedoch bleibt "Shadowmaker" enttäuschend. Und das liegt wahrlich nicht an den technischen Fertigkeiten der Herren, sondern vielmehr daran, dass eben dieses Können viel zu selten zum Einsatz kommen. Natürlich hätte das ursprüngliche Bandkonzept, das auf "Inquisition symphony" und "Cult" so großartig funktionierte, irgendwann unweigerlich in die kreative Sackgasse geführt. Doch "Shadowmaker" verstört, verschreckt. Denn hier dominiert bestenfalls mittelklassiger Radiorock, beliebig und austauschbar, oder um es ganz klar zu sagen: Miserable Songs bleiben miserable Songs, auch wenn statt Gitarren Celli zum Einsatz kommen. Und wenn in "Riot lights" die Streicher tatsächlich aufhorchen lassen, werden diese Celli plötzlich von einem Beat aus der Dorfdisco niedergehämmert. Es mag ja legitim sein, dass sich Apocalyptica bemühen, insbesondere den amerikanischen Markt für sich zu erschließen. Doch derart anbiedernd muss es nun auch wieder nicht sein. Waren die letzten Releases der Finnen schon nicht eben von Weltklasse geprägt, haben sich Apocalyptica mit "Shadowmaker" vorerst aus dem Kreis der innovativen Rockbands verabschiedet. Schade drum. (Plattentests)
Tracklist:
01 – I-III-V Seed of Chaos
02 – Cold Blood
03 – Shadowmaker
04 – Slow Burn
05 – Reign of Fear
06 – Hole In My Soul
07 – House of Chains
08 – Riot Lights
09 – Come Back Down
10 – Sea Song (You Waded Out)
11 – Till Death Do Us Part
12 – Dead Man’s Eyes
13 – Hall of the Mountain King (feat. Avanti Orchestra) [Live]
Clip:
Shadowmaker
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