Pixies - Head Carrier



Was haben wir gelacht über das Großmütterchen aller Festivals, es trägt den Namen „Desert Trip“ und wurde erstmals am vergangenen Wochenende in der Wüste vor Palm Springs gefeiert, wo die wilden Rentner wohnen. Es wurde eröffnet von den Rolling Stones, am zweiten Tag trat Paul McCartney für die Beatles auf, Neil Young war da, die Überreste von The Who und Roger Waters als Vertreter von Pink Floyd. Die Eintrittskarten waren für den Preis einer Pauschalreise zu haben. Und weil davon auszugehen ist, dass die Besucher sich schon heute nicht mehr an das Festival erinnern werden, wird es für sie mit denselben Darstellern am kommenden Wochenende wiederholt.
Was wäre, wenn am Rand einer beliebten Großstadt ein Legendenfestival mit, sagen wir, den Pixies, Dinosaur Jr, Hüsker Dü, Nirvana ohne Kurt Cobain und Sonic Youth stattfände? Wäre so ein Festival weniger lächerlich als Desert Trip? Das wäre es, für uns. Als wir die Pixies für die größte Band der Welt hielten, waren die Rolling Stones bereits die Band der alten Säcke.
Nun sind auch die Pixies wieder da mit ihrem ersten ernst zu nehmenden Album seit einem Vierteljahrhundert. „Head Carrier“ heißt das Album, es enthält zwölf Songs von jeweils zwei bis drei Minuten Länge, und wir können es bedenkenlos in unser Schallplattenregal aus Traubeneiche zu den anderen stellen, hinter „Trompe le Monde“ von 1991. Dorthin, wo das Album „Indie Cindy“ von 2013 nicht steht, weil es kein Comeback war. Es war eine künstlerische Kapitulationserklärung.„Head Carrier“ ist das amtliche Comeback der Pixies. „Might As Well Be Gone“, der vielleicht allerschönste Song des schönen Albums, rührt einen wieder zu Tränen durch den Harmoniegesang des Sängers mit seiner Bassistin – auch wenn die Bassistin an der Seite von Black Francis nun nicht mehr Kim Deal heißt, sondern Paz Lenchantin. In solchen Duetten schwang ja immer auch das ganze Genderdrama unserer Zeit mit, von dem der Altherrenrock nie etwas wissen wollte.
Ach, die Pixies: Auch sie waren in der Vorstadt aufgewachsen. Auch sie hatten in den Achtzigerjahren irgendwas studiert, in Boston an der Universität, und ihre eigene kleine Band gegründet. Auch sie fühlten sich alternativ und indie und zugleich ironisch: Francis, der eigentlich Thompson hieß, stand auf der Bühne wie ein dicker, glatzköpfiger Patriarch, und neben ihm Kim Deal als wäre sie die Hausfrau, die ihm nach der Arbeit die Pantoffeln bringt und Spiegeleier brät. Dazu der Schlagzeug spielende Angestellte David Lovering und Joey Santiago, ein asiatischer Migrant, als Nerd an der Gitarre.
Jedes Jahr gab es ein neues Album voller lauter Hymnen und mit einem wunderlichen Titel. Niemand machte poppigeren Lärm als sie, bis 1993, als Black Francis während eines Radiointerviews die Band für aufgelöst erklärte und den Musikern die Kündigung per Fax zustellte. Er nahm Soloalben als Frank Black, Black Francis oder mit der Band The Catholics auf, die sich manchmal nach den Rolling Stones anhörte. Zwischendurch rief er die Pixies zu vorübergehenden Comebacks zusammen, für eine Tournee 2004 und für eine Tournee und das missglückte Album „Indie Cindy“ vor drei Jahren. Er könne das Geld so gut gebrauchen wie der Rest der Band, gab er gern zu, wenn er die Pixies wieder einmal einbestellte, was wir lieber hörten als die Faselei der Alten von ihren Legenden.
Wir kaufen also ihr Album und ihre Konzertkarten und freuen uns, wenn Francis wieder wie am Spieß brüllt wie in „Baal‘s Back“. Oder wenn die Bassistin, die Kim Deal ersetzt und deren Namen wir uns niemals merken werden, „All I Think About Now“ ganz allein singt, weil sie sich fast anhört wie Kim Deal. Die Pixies klingen wie die beste ihrer Coverbands, was manchmal albern wirkt, manchmal absurd und machmal anmutig wie früher.
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Super, dass sie wieder da sind. Sie erinnern uns daran, dass Rockmusik die wunderbare Eigenschaft besitzt, die Zeit zuerst rasant voranzutreiben und dann, wenn man damit älter wird, für immer anzuhalten. Sie ist wie wir selbst. Am Anfang frisch und fortschrittlich, am Ende komisch und konservativ, damit die Kinder und die Enkelkinder was zu Lachen haben.(Quelle: Welt.de)


Tracklist:
  1. Head carrier
  2. Classic masher
  3. Baal's back
  4. Might as well be gone
  5. Oona
  6. Talent
  7. Tenement song
  8. Bel esprit
  9. All I think about now
  10. Um chagga lagga
  11. Plaster of Paris
  12. All the Saints
Clip:
Head Carrier

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