Sting - 57TH & 9TH




Das passiert, wenn Sting mit einer Reihe von sehr guten Musikern ohne größeren Plan einfach mal ins Studio geht, hätte man sich bislang in fast euphorischer Erwartung ausgemalt – zumal wenn man einige der witzigen Filmdokumente von solchen Sessions aus den achtziger und neunziger Jahren gesehen hat: Da wurde schon mal zum Spaß über „Meet the Flintstones“ improvisiert, und man spürte noch lange, wie befreiend es für Sting sein konnte, als Solokünstler auch mal ganz andere Dinge auszuprobieren als mit seiner Band The Police.
Sieht man von seinen Ausflügen in die alte Musik und ins Musical ab, dann ist die nun erscheinende neue Platte „Sting's first Rock/Pop Album in over a decade“, wie es auf dem sie zierenden Aufkleber heißt. Aber viele würden vielleicht auch noch weiter gehen und etwas sagen, was man nicht unbedingt auf einen Aufkleber schreibt: nämlich dass Sting seit dem Meisterwerk „Mercury Falling“ kein durchweg gelungenes Album mehr gemacht hat. Und das war 1996.
Umso höher also die Erwartungen an die Platte „57th & 9th“, die das Beiläufige schon im Titel trägt: Kein großes Konzept steckt demnach dahinter, sondern das ist einfach nur die Straßenkreuzung, an der Sting in New York im Laufe der Jahre immer wieder an der Ampel gestanden hat, wie es im Begleitheft heißt.
Sie beginnt mit lauter Schlägen auf die Zwölf: Nichts da mit „Englishman“-Pizzicato oder „Russians“-Symphonik, scheint Sting sagen zu wollen – hier gibt es jetzt mal ganz schlichte Rockmusik. Die ersten drei Stücke funktionieren auf dieselbe Weise: Relativ karge Melodie-Einfälle für die Strophen, dafür dann aber „große“, euphorische Refrains („I Can't Stop Thinking About You“), bei denen alle Stimmen und Instrumente voll aufdrehen. Das war oft auch das Rezept von The Police, aber an deren Hits reichen diese Stücke dann doch nicht heran.
An den Musikern liegt das gewiss nicht. Die alten Wegbegleiter Dominic Miller (Gitarre) und Vinnie Colaiuta (Schlagzeug) hat Sting hier wieder mit an Bord; richtig entfalten können sie sich allerdings nicht. Wenn man schon ein eher frei und spontan entstehendes Album aufnimmt, warum gibt man dann nicht auch Raum für Improvisation oder wenigstens charakteristische Solopassagen darauf
Nein, es geht hier wohl eher um breite Hörbarkeit: „One Fine Day“ ist offenbar der Versuch, eine eingängige Radiosingle dazwischenzuwerfen, aber zum einen wirkt das Lied dann doch zu belanglos, und zum anderen denkt man angesichts des Titels sofort, dass Sting über den gelungenen Tag schon vor Jahren ein viel besseres Lied geschrieben hat, nämlich „Brand New Day“, so dass dieses allenfalls wie ein Abklatsch klingt. Ein weiteres Haudraufstück, „Petrol Head“, klingt seinerseits wie ein Selbstzitat, nämlich von „Demolition Man“.
Auf ein musikalisch und auch rhythmisch ausgefuchsteres Stück, womit man bei Sting seit seinen kühnen Ausflügen in ungerade Taktarten („I Was Brought to my Senses“) inzwischen freudig fest rechnet, muss man auf diesem Album lange warten. Aber dann kommt es endlich doch noch mit „If You Can't Love Me“. Wenn man sich in dessen Struktur langsam einhört, wächst dieser eindringlich und mit Wut gesungene Song gewaltig – und das ist etwas, was man über die meisten anderen Lieder auf dem Album leider nicht sagen kann.
Was man zugestehen muss: Der straighte Rock auf „57th & 9th“ wird womöglich live gespielt ganz gut abgehen. Auf Konzerte von Sting darf man sich sowieso immer freuen.
Aber dass er uns auf dem Album dann trotzdem noch mit einem lieblich-belanglosen Lied namens „Inshallah“ beglücken will, das in seiner Schmalspur-Lyrik keinem wehtun soll, aber auch keinen so recht vom Hocker reißen wird, ist doch schon etwas peinlich. Besonders was die Lyrik betrifft ist diese Platte eine Enttäuschung. „So don't despair of the empty chair / And somehow I'll be there“, versucht die Schlussballade zu trösten – aber das gelingt nicht recht, weil man eben weiß, dass Sting schon viel bessere Melodien und viel bessere Texte geschrieben hat. (Quelle: FAZ)


Tracklist:
01. I Can't Stop Thinking About You
02. 50,000 (NEW Version)
03. Down, Down, Down
04. One Fine Day (NEW Version)
05. Pretty Young Soldier
06. Petrol Head
07. Heading South On The Great North Road
08. If You Can't Love Me
09. Inshallah
10. The Empty Chair
11. I Can't Stop Thinking About You (LA Version)
12. Inshallah (Berlin Sessions Version)
13. Next To You (Live At Rockwood Music Hall)


Clip:
I Can't Stop Thinking About You

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