Yello - Toy



Boris Blanks Arbeitstage sind so präzise geregelt als ginge er ins Büro. An fünf Tagen die Woche legt der Schweizer Künstler pünktlich um neun Uhr in seinem Züricher Studio los. Um zwölf geht er Mittag essen, in der Regel einen Salat, ab dreizehn Uhr geht er wieder an die Arbeit. Feierabend macht er gegen achtzehn Uhr, bei schönem Wetter auch mal früher. Wenn er viel um die Ohren hat nimmt Blank auch mal Arbeit mit nach Hause. Dafür hat er sich daheim eine Kopie seines Arbeitsplatzes installieren lassen, damit er auch am Wochenende und abends im Einsatz sein kann.
Zuletzt war es ziemlich hektisch im tiefenentspannten Zürich, denn Blank musste eine neue Platte fertigstellen. Nun ist "Toy" erschienen, das dreizehnte Album, das er mit seinem Partner Dieter Meier als Yello veröffentlicht. Geboten werden, je nach Version, 14 oder 17 frische Elektropopsongs, die belegen, dass das Duo auch nach fast vier Jahrzehnten noch in Form ist.
Immerhin müssen Yello immer wieder dem Ruf gerecht werden, zu den innovativen Pionieren des Elektropop zu gehören. Tatsächlich ist es Blank und Meier gelungen, in den vergangenen Jahrzehnten einen individuellen Sound zu perfektionieren, der, man muss es so sagen, zeitlos ist. So klingt "Toy" weder modern noch alt, sondern feiert einen schönen Retrofuturismus.
Dass Yello seit so langer Zeit ihre Form halten, liegt wohl auch daran, dass sie ihre Herangehensweise an die Musik in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert haben. Zuerst kam bei ihnen schon immer der Sound; seltsame, eklektische und synthetische Klänge, die dann zu Melodien arrangiert wurden. Sound ist die Basis für alles bei Yello, und verantwortlich dafür ist Boris Blank.
Bereits in jungen Jahren spürte er mit seinen Aufnahmegeräten Klängen nach; Egal, ob es das Surren von Küchengeräten, das Glucksen eines Wasserlaufs oder das Röhren eines Automotors war: Blank nahm es auf.
Was er so zusammentrug, bearbeitete er dann mit seiner Revox-Bandmaschine, manipulierte die Geschwindigkeit, erforschte Rückkopplungen und Echo. Eines Tages, beflügelt vom Geist des Punk und New Wave, begann Blank aus seiner Klangsammlung Tracks zu destillieren. Einen Gleichgesinnten fand er in Carlos Peron, der in den Anfangstagen von Yello noch an Bord war. Ein befreundeter Plattenhändler empfahl dann als Sänger den exzentrischen Bankierssohn Dieter Meier.
Die erste Yello-Single erschien 1979, seitdem hat sich an ihrer Produktionsweise nicht so viel geändert: Boris Blank zaubert beständig neue Klänge und wenn er das Gefühl hat, dass es für ein Album reichen könnte, lädt er Dieter Meier ein. Der kunstbeflissene Dandy hat viele Eisen im Feuer - züchtet Rinder in Südamerika, produziert Gin und Wein, betreibt Restaurants und ist an zig anderen Unternehmen beteiligt.
Meier ist immer unterwegs, sodass Blank in Zürich seine Ruhe hat. Dazu kommt der Standortvorteil Schweiz, nicht wegen irgendwelcher Steuersparmodelle, sondern weil die Schweiz im Popuniversum kaum wahrgenommen wird. In Zürich wird Blank in Frieden gelassen, was auch eine Form von Freiheit ist.
Wenn der Weltreisende Dieter Meier also mal im Studio hereinschneit, lauscht er konzentriert, wählt aus, kommentiert, assoziiert Texte und vollendet mit seiner dunklen Nicht-Gesangsstimme die Yello-Songs. Dazu kommen immer mal wieder Gastsänger, Shirley Bassey, Billy MacKenzie und zuletzt immer mal wieder Malia, die neben der Chinesin Fifi Rong auch auf "Toy" zu hören ist.
Trotz ihrer unkonventionellen Herangehensweise haben Yello in den vergangenen Jahrzehnten große Hits gelandet. Der Science-Fiction-Ohrwurm "Bostich" war ihr erster Treffer. Die Nummer "The Race" fand in allerlei TV-Serien wie "Miamie Vice" Verwendung. Aber der größte Yello-Wurf dürfte wohl "Oh Yeah" sein: Drei Minuten und sieben Sekunden lasziv nervöse Elektronik, die durch ihren Einsatz im Hollywood-Hit "Ferris macht blau" ein großes Publikum fand und seitdem beständig in Werbeclips, Serien und Spielfilmen schnurrt.
Blank und Meier ermöglichten solche Triumphe ein entspanntes Schaffen in der ruhigen Schweiz fernab aller Moden und Hypes. Auch dass die zwei nicht viel jünger als die Rolling Stones sind, war nie ein Thema. Vermutlich weil sie in ihren maßgeschneiderten Anzügen und mit ihren Schnurrbärten stets "alt" aussahen.
Yello schienen immer die coolen Zaungäste im großen Popzirkus zu sein, die das hektische Treiben milde amüsiert aus gesunder Distanz beobachten. Zu ihrem Ruf als lässige Verweigerer passte auch, dass Yello nie Konzerte gaben. Was wohl an Boris Blank lag, der die Vorstellung, auf Bühnen hinter Synthesizern zu stehen, absurd fand. So war das Erstaunen groß, als Yello vor einigen Monaten für Ende Oktober vier Auftritte in Berlin ankündigten. Dass diese in wenigen Stunden ausverkauft waren, bestätigte nur ihren Ruf als moderner Klassiker.
Wenn die Shows gut laufen, so ist zu hören, könnten weitere Auftritte weltweit folgen. In seinem Studio wird Boris Blank wohl demnächst deutlich weniger Zeit verbringen. Aber spannende Geräusche kann er auch unterwegs aufnehmen.(Quelle: Spiegel)


Tracklist:
01. Frautonium Intro 01:09
02. Limbo 03:22
03. 30'000 Days 04:05
04. Electrified II 02:49
05. Cold Flame 04:02
06. Kiss The Cloud 03:14
07. Starlight Scene 03:16
08. Tool Of Love 03:12
09. Give You The World 03:32
10. Dialectical Kid 03:18
11. Dark Side 04:15
12. Pacific AM 03:22
13. Blue Biscuit 03:35
14. Lost In Motion 03:32
15. Magma 06:26
16. Toy Square 03:08
17. Frautonium 04:21


Clip:
Limbo

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