Snow Patrol - Wildness
Der Zahn der Zeit nagt auch an Gary Lightbody. Während die Monate in Windeseile ins Land zogen, nahmen sich Snow Patrol eine rund fünfjährige Auszeit. Nichts passiert? Von wegen. Über acht Millionen Alben hat die Band in gut zwanzig Jahren in der Summe verkauft. Das unvermeidbare "Chasing cars", Snow Patrols hübsche Schmonz-Ballade aus 2006, verzeichnet beim Streaming-Anbieter Spotify mehr als 311 Millionen Aufrufe. Ziemlich gigantisch. Doch Lightbodys Vater erkrankte an Demenz und der Frontmann selbst war jahrelang alkoholabhängig. All das Auf und Ab, die schönen Momente und die Nackenschläge, sie kommen und gehen, gehören zum Leben dazu. "Wildness", das siebte Album des Fünfers, dreht sich um Früher und Heute und das Erlebte dazwischen. Vor allem aber ums Erinnern: "This is just life on Earth", resümiert der mittlerweile wieder voll im Leben angekommene Lightbody das Verarbeitete mit zuversichtlichem Blick, und setzt mit dem Opener ein Zeichen: Das wahrhaft lebendige "Life on Earth" mit seinem markanten Riff darf nach dem eher mediokren Material des letzten Albums "Fallen empires" und der langen Abwesenheit als kleiner Paukenschlag bezeichnet werden.
"Heal me" thematisiert die neue Liebe, eine Begegnung, ohne die Lightbody den Alkohol nicht aus seinem Alltag hätte verbannen können, und setzt dabei die Akustikgitarre gekonnt zwischen Drums und Synthies. Diejenigen, die nun allerdings große Hoffnungen auf die unscheinbare, luftige und doch intensive Anschmiegsamkeit eines "Chocolate" aus der "Final straw"-Ära setzen, sollten auf Albumlänge nicht allzuviel erwarten. Weil Lightbody gerne den übergroßen Gesten nacheifert. Am überzeichneten Hochglanz-Pop von "Don't give in" wird sehr bald wohl kein Mainstream-Radio dieser Welt mehr vorbeikommen. Was nicht unbedingt als Kompliment gemeint ist, da das Stück doch arg darauf getrimmt ist, einem x-beliebigen Ed-Sheeran-Song ein wenig Tanzbeat unterzujubeln. Sowieso gibt es mehr zeitgemäße Sounds als früher, was die Briten insbesondere am Keyboard ausleben. Während "Wild horses" der neue Synthie-Anzug ganz passabel sitzt, gehen der stupide Beat, die Handclaps und die "Oh-oh"-Orgie in "A dark switch" leider zu weit. Zum Glück allerdings sind solche Nerv-Momente auf "Wildness", diesem gelungenen Snow-Patrol-Comeback, Mangelware.
Das ebenfalls von Piano dominierte "Soon" dreht sich um das Schicksal des Vaters, bleibt dabei beharrlich im faden Licht der Melancholie, die auch "Life and death" zum nachdenklichen Abschluss aufrecht erhält. Anhänger aus früheren Tagen freuen sich derweil sehr über das schöne "Empress", diese typische kleine Snow-Patrol-Hymne, die tatsächlich ein wenig das ambitionierte, aber unaufgeregte Feeling aus "Eyes open"-Tagen mitbringt. In der Deluxe-Version wartet "Wildness" mit fünf alternativen Versionen auf und auch hier zeigt sich, dass Snow Patrol gut daran tun, die Akustische nicht vollends gegen das Keyboard einzutauschen. Ebenfalls überzeugend: die zarten, ruhigen Momente. So darf man zum kitschigen, aber sehr feinen, nur auf Piano und Stimme gebetteten "What if this is all the love you ever get?" ein paar Tränchen verdrücken, bis Lightbody die tröstende Hand ausstreckt: "What if it hurts like hell? / Then it'll hurt like hell / Come on over / I'm in the ruins, too / I know the wreckage so well / Come on over here." Gary, wir sind doch da.(Quelle: Plattentests)
Tracklist:
- Life on Earth
- Don’t give in
- Heal me
- Empress
- A dark switch
- What if this is all the love you ever get?
- Youth written in fire
- Soon
- Wild horses
- Life and death
Clip:
Don't give in
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