The Last Shadow Puppets - Everything You've Come to Expect
Der Witz klingt auch beim zweiten Mal noch lustig, er ist auch schon etwas älter. Vor acht Jahren hatten Alex Turner und Miles Kane unter dem Namen The Last Shadow Puppets ein sehr schönes Album aufgenommen, das "The Age of Understatement" hieß. Das Komische daran: Der eine wie der andere unterhielten damals noch recht frisch gegründete Gitarrenbands, die Arctic Monkeys und die Rascals, über die sich ältere Männer wie auch jüngere Mädchen freuen konnten.
Vor allem die Arctic Monkeys brachten die Musik der Älteren zurück. Die Jüngeren entdeckten, dass Musik nicht nur im Fernsehen und in Fabriken hergestellt wird, sondern überall, wo Freunde sich zum Muszieren treffen, die Gitarren einstöpseln und sich nur darum scheren, dass es allen Spaß macht. Kritiker schwärmten vom Paradigmenwechsel. Und dann kamen zwei der Wunderkinder an mit einer Platte voller Geigen. "Time Has Come Again" nannten sie eines ihrer leichten Lieder. Easy Listening im 21. Jahrhundert. Hihihi.
Nachdem alle gelacht hatten, wandten sich Alex Turner und Miles Kane wieder dem BritRock zu. Die Arctic Monkeys wurden sogar in Amerika berühmt. Die Rascals, von den Allerältesten auch gern verwechselt mit der gleichnamigen Band der Sechzigerjahre, den amerikanischen Beatles, wurden aufgelöst. Miles Kane wurde zum Mod. Die Gattung des Orchestersongs wurde wieder verdienten Veteranen überlassen. Und nun wieder das: Ein Album der Last Shadow Puppets, diesmal mit dem Titel "Eveything You've Come To Expect", und alles, was man von ihnen erwarten darf, wird eingelöst. Es fängt zwar an mit einer Dissonanz. Dann aber singen sie, so schön sie können, steuern ihre Cabrios und schwenken ihre Cocktails durch die Streicherbrise in den Sonnenuntergang.
Sie waren Anfang zwanzig, als sie sich in weißen Rollkragenpullovern und mit Pilzköpfen fotografieren ließen und sich prächtig amüsierten, wenn die Referenzmaschinen heißliefen. Da waren sie die Enkel von Scott Walker und die jüngsten Schüler von Ennio Morricone. Einer ihrer Songs hieß "In My Room" wie eine Hymne von Brian Wilson. Wenn sie jemand fragte, brachten sie auch selbst all die Verkannten und Vergessenen ins Spiel, zum Beispiel David Axelrod und dessen "Song of Innocence" von 1968. Auf der Rückseite einer Vinylsingle versteckten sie "In the Heat of the Morning", einen frühen Klassiker von David Bowie. Bowies Name fiel damals, wenn es um die Last Shadow Puppets ging, so gut wie nie. Umso gespenstischer, wie nun, acht Jahre später und drei Monate nach David Bowies Tod, erkennbar wird, dass Kane und Turner seine Geisteskinder sind. Nicht weil sie sich verwandelt haben, Kane hat sich den Kopf geschoren wie ein Hooligan vor dreißig Jahren, Turner trägt die Haare wie ein Halbstarker vor sechzig Jahren. Sondern wegen ihrer musikalischen Ästhetik.
Gerade ist die 16 Jahre alte Sammlung "Bowie at the Beeb" wieder veröffentlicht worden, endlich auch, wie es sich gehört, auf einem Stapel richtiger Schallplatten. Bowie singt für die BBC von 1968 bis 1972, von "In the Heat of the Morning" mit dem Tony Visconti Orchestra bis "Rock 'n' Roll Suicide" mit den Spiders from Mars. Da ist er noch ein Sänger und noch kein Bedeutungsträger. Während sich die Beatles auflösen, während die Rockmusik zur progressiven Kunst erklärt wird, während Rock und Pop einander fremd werden, singt Bowie seine Schlager. Die Last Shadow Puppets wussten auch nicht, dass er sterben würde, als sie in den Shangri-La-Stadios in Malibu ihr zweites Album aufnahmen. Sogar ein "Diamond Dog" hat sich in einen ihrer Songs geschlichen.
Sie sind auch keine Propheten, sondern nur zwei mittlerweile Dreißigjährige, die in "Bad Habits" spielen wie eine Band, die in den Achtzigern die Sechziger nachspielt, mit Surfgitarren und Streichern. Dafür wissen sie, was bereits David Bowie wusste: Ohne Schönheit, ohne Stil wäre die sogenannte Rockmusik als Antithese nicht zu haben. In "Aviation", einem ihrer sehr erwachsenen neuen Songs, im Video dazu, schaufeln sich Alex Turner und Miles Kane ihr eigenes Grab in ihrem eigenen kleinen Gangsterfilm, den sie vertonen. Niemand muss den Witz verstehen. (Quelle:Die Welt)
Tracklist:
1. Aviation
2. Miracle Aligner
3. Dracula Teeth
4. Everything You've Come To Expect
5. The Element Of Surprise
6. Bad Habits
7. Sweet Dreams, TN
8. Used To Be My Girl
9. She Does The Woods
10. Pattern
11. The Dream Synopsis
Clip:
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