Yeasayer - Amen And Goodbye



Vor knapp neun Jahren erschien das Yeasayer-Debüt "All Hour Cymbals", das den Zeitgeist der experimentellen New Yorker Szene prägen sollte. Anschließend brachen Begeisterungsstürme um ältere und neuere Bands wie Vampire Weekend, MGMT, Grizzly Bear und Animal Collective los.
Ihr verschachtelter Worldbeat-Rock gewährte seinerzeit jedoch nur einen ersten Einblick in den kreativen Kosmos von Yeasayer. Auf den groovenden Synthiepop von "Odd Blood" folgte die Zukunftsvision "Fragrant World" als elektronischstes Werk. Es sind die verkopften Vocal, ihr melodiöses Gespür und die unkonventionellen Songstrukturen, die alle Alben untereinander zu einem wiedererkennbaren Stil kitten. Die vierte Platte "Amen & Goodbye" führt den Kurs zwischen Beständigkeit und Weiterentwicklung fort.
Etwas Fragmentarisches haben eigentlich alle Yeasayer-Alben. Der Entstehungsgeschichte nach zerfiel "Amen & Goodbye" aber aus einer Notwendigkeit in seine Stücke, bevor die Band es wieder zusammenbastelte. Ein Unwetter zerstörte erhebliche Teile der Aufnahmen, die sie in einem Studio in den Catskill Mountains altmodisch auf Band eingespielt hatten. Zurück in Brooklyn riefen Yeasayer einige Gastmusiker und Joey Waronker (Beck, Atoms For Peace) als Produzenten zu sich. Der ergänzte die Reste der Computerbeats mit Drums und Percussions.
Die Versatzstücke türmen ein Gebilde aus Psychedelic Rock der 70er, 80er-Electropop, eine Prise Funk und R'n'B sowie Yeasayer-typische WTF-Momente wie das Cembalo-Klatsch-Interlude "Child Prodigy". Zum Teil ein Querschnitt der früheren Veröffentlichungen des Trios, zum Teil ein Neubeginn, der bis zu den Beatles ("Uma") und Folklore mit Bläser- und Harfen-Sounds ("Half Asleep") zurückblickt.
Ähnlich verworren und komplex ist das inhaltliche Fundament von "Amen & Goodbye": Wie der Titel erahnen lässt, erforschen Chris Keating, Ira Wolf Tuton und Anand Wilder spirituelle Sphären und Symbole, Religion und den Sinn des Lebens. Die vielen Andeutungen lassen sich erst nach und nach entziffern, anderes bleibt verborgen. Yeasayer transzendieren in ein Konzeptalbum voller Ideen – und haben trotzdem die eine oder andere Ausfallerscheinung.
Den Flow bremsen Songs wie "Dead Sea Scrolls" mit einem beliebigen Bläser-Part und endlosen "Ba-ba-ba"-Gesängen aus, die teilweise mit Effekten verzerrt werden. "Silly Me" strebt nach dem schmissigen Synthiepop alter "Odd Blood"-Ohrwürmer, pappt aber in einem zuckersüßen Refrain mit Nervpotenzial fest.
Überragend dagegen die Single "I Am Chemistry", die gekonnt von drängenden Percussions über Synthesizer-Malereien hin zu einem Piano-begleiteten Finale mit Suzzy Roche (The Roches) wechselt, deren Vocals kinderchorgleich vervielfacht werden. Im Kontrast dazu zeigt "Cold Night", dass Yeasayer auch ohne Effekt-Basteleien bestens funktionieren könnten. Darin verarbeitet die Band den Suizid eines guten Freundes und reduziert das Gerüst fast komplett auf Gitarre und Percussions. So einfach und emotional aufgeladen wie er ist, beendet der Track die Platte mit einem der überraschendsten Momente.
Im Vergleich zu ihren bisherigen Platten zündet das Gesamtkonzept weniger, vielleicht weil es zu viel will, vielleicht weil es im Jahr 2016 gar nicht mehr so leicht ist, Neuartiges aus zusammengebastelten Fragmenten zu kreieren. Das letzte Wort ist Album Nummer Vier entgegen des Titels aber wahrscheinlich nicht. Und bis Yeasayer ihre nächsten Einfälle umsetzen, unterhält "Amen & Goodbye" zumindest mit Finesse und künstlerischem Anspruch. (Quelle: Laut.de)

Tracklist:
01. Daughters of Cain
02. I Am Chemistry
03. Silly Me
04. Half Asleep
05. Dead Sea Scrolls
06. Prophecy Gun
07. Computer Canticle 1
08. Divine Simulacrum
09. Child Prodigy
10. Gerson's Whistle
11. Uma
12. Cold Night
13. Amen & Goodbye

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