Der Ringer - Soft Kill
Unser aller Lieblings-Plattentests.de-Leser Casper teilt auf Instagram regelmäßig seine Platten und Songs des Monats. Und wie man es an dieser Stelle im Jahrespoll tat, so veröffentlichte der Bielefelder Ende Dezember seine Top-10-Songs 2016. Auf Platz vier: Der Ringer mit "Schwarm" von ihrer EP "Glücklich" aus dem März. Das Spex-Magazin sieht in der Truppe eine neue Generation Hamburger Bands im Kommen, die endlich mal diese ganze Hafenromantik-Chose ausklammert. Mehr Vorschuss-Lorbeeren kannste vor Deinem Debütalbum eigentlich gar nicht bekommen. Das jedenfalls erscheint jetzt und man bekommt den Soft Punk von Der Ringer nunmehr auch im Longplayer-Format auf die Ohren.
Soft Punk? So nennen es die fünf Jungs selbst. Wie das klingt? Als würden Isolation Berlin – mit denen es auch schon eine gemeinsame EP gab – Peter Schillings "Major Tom" covern. Hipstermucke in space also. Und so ist der erste Track "Orbit" thematisch schon mal mehr als passend. Dabei klingt der Titel eingangs wie eine Hommage an "Like eating glass" von Bloc Party, aber spätestens wenn der Autotune-Gesang einsetzt wird dem Hörer gewahr, das Nullerjahre-Indie-Rock hier nur einer der Einflüsse war. Ansonsten nämlich ist das 80s-Revival in vollem Gange. So beschreibt das folgende "Apparat" einen Internet-Chat aus Sicht eines unbedarften Achtzigerteens. Als ob es in Zeiten von Tinder noch echte Gefühle gäbe. Das hat Charme. Auch hier spielen pfeifende Synthies wieder eine vordergründige, aber nie überfordernde Rolle.
Dem NDW-Stil verfällt "Morton Morbid". Gitarre und Tambourin lösen sich bisweilen vom Breakbeat, ansonsten groovt er stracks nach vorn. Wie Bilderbuch in schlechtlaunig kommt "Mikroskop" daher, das abermals einen nerdigen Bezugspunkt sucht. Der Ausbruch mit hymnischer Gesangslinie, umgarnt von Helikoptergeräusch und wabernden Drones, bildet das furiose Finale des Tracks. Bei "Knochenbrecher" lässt das Effektgerät die Gesangsstimme Whisky gurgeln. Die Instrumentierung erinnert zunächst an The Killers zu "Mr. Brightside"-Zeiten, einzig das nach vorne peitschende Piano hebt sich ab. Der tatsächliche Knochenbruch geschieht effektvoll frei von Worten, das erschüttert das Gebein, lässt es aber schließlich aufrecht stehen.
Wo das Gerippe gerade noch hält, da zeigen sich Der Ringer in den langsameren Titeln "Frost" und "Kanada" – es passt ja auch so gut zusammen – ganz zerbrechlich. Ersteres zieht den Winterschlaf der Möglichkeit zu Scheitern vor, Zweiteres lebt den begonnenen Traum zweistimmig weiter. Schließlich wartet noch "Violence" mit starker Bassline auf und erzählt eine wirre Geschichte von gruseligen Wesen und Laserwaffen. Als würde He-Man gerade wild mit Skeletor ringen. "Violence, das Virus, das mich quält / Das mir im Weg steht", heißt es da im Chorus und man verabschiedet sich in den nächsten Level. "Ohnmacht" lässt es schließlich noch einmal krachen: Mit Spoken-Word-Intro, das im saftigen Gitarren-Synthie-Gewitter mündet, welches wiederum getragen von der Bassdrum nach vorne marschiert, verabschieden sich Der Ringer.
Es ist ein wirres und verwirrendes Album, dieses "Soft kill". Die Hamburger geben sich musikalisch nicht die geringste Mühe, einmal Klarheit einkehren zu lassen, verbinden dies aber mit eingängigen Botschaften und beleuchten schlitzohrig eine digitalisierte Welt, im Spagat zwischen Natürlichkeit im Offline-Modus und Hyperaktivität im Online-Zustand. Der Ringer machen es dem Hörer leicht über sie zu urteilen, das Spektrum dürfte dabei von "gequirlter Scheiße" bis hin zum Messias-Vergleich reichen. Wer wirklich einsteigen möchte in dieses seltsame Universum fünf junger Typen, dem bleibt nicht anderes übrig, als aufmerksam zuzuhören und dem ganzen Zeit zu geben. Der Ringer sind nicht schüchtern aber charmant zurückhaltend, die steigen nicht direkt mit jedem ins Bett. Definitiv keine Band für eine Nacht. (Quelle: Plattentests)
Tracklist:
01. Orbit (03:52)
02. Apparat (04:47)
03. Morton Morbid (03:38)
04. Frost (03:41)
05. Mikroskop (04:21)
06. Soma (04:18)
07. Knochenbrecher (02:13)
08. Kanada (04:51)
09. Violence (04:49)
10. Ohnmacht (04:00)
Clip:
Orbit
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