Vitalic - Voyager




Erinnert sich noch jemand an die fliegenden Beagle, Pudel und Bulldoggen in der Großraumdisco? Die ließ der französische House-DJ Pascal Arbez-Nicolas aka Vitalic 2005 zu ruppigen Techno-Beats im Musikvideo zum Clubklassiker "Poney part 1" in Super-Slow-Motion durch den virtuellen Raum schweben. Selten wurden Hautfalten zeitgleich ästhetischer und abstoßender geschüttelt. Wenn man so will, ist das auch eine passende Umschreibung der Musik auf dem inzwischen vierten Longplayer des Produzenten mit einer Vorliebe für Achtzigerjahre, Giorgio Moroder und einer Extra-Portion Pop. Denn was der Mann auf "Voyager" abliefert, geht teilweise an die Schmerzgrenze der Eingängigkeit.
Schon beim Intro "El viage" pumpen und posen die Bässe nach einem dezenten Gitarren-Intro so formvollendet wie die eingeölten Protagonisten auf einer Bodybuilding-Meisterschaft. Doch das Audio-Muskelspiel endet, ehe es richtig begonnen hat und übergibt das Babyöl an "Waiting for the stars" mit der geschmeidig gedämpften Stimme von Gastvocalist David Shaw. Energische Synthesizer, blubbernde Beats und ein Strophe-Refrain-Schema zaubern federleichte Harmonien hervor. Im anschließenden "Levitation" klebt Vitalic in den Anfangssekunden zunächst digitale Post-its für The Chemical Brothers und Beastie Boys an die Poledance-Stange, ehe er mit LSD getränkten Ausdruckstanz-Tüchern über die Dancefloor-Synapsen wirbelt.
Während "Hans is driving" mit Miss Kittin eher den Wunsch auslöst, aufgrund der doch sehr gefälligen Fahrweise ins Lenkrad zu greifen, gleitet "Use it or lose it" obszön aufgerichtet in die aufnahmebereiten Gehörgänge, um dort mit seiner Penetration für feuchte Ohren zu sorgen. Wenn die aufgerichteten Bässe rhythmisch auf die Ohrmuschel klatschen und sich die anfangs eher blasierten Vocals eine Oktave höher winden, gewinnt der Akt gen Mitte noch einmal zusätzlich an Fahrt. Das angeschickerte "Lightspeed" erinnert im Leitmotiv gar an Kraftwerk, tüdelt aber natürlich überhaupt nicht reduziert, sondern vielmehr impulsiv nach vorne Richtung Bretter, die die Tanzwelt bedeuten. Danach folgen mit "Eternity" eine Oper-Tonleiter-Spielerei und nostalgische C64-Ballergame-Sound-Anekdote à la Turrican und der schillernde Soundsplitter für Discokugeln, "Nozomi".
Zum Ende wird bei der "Sweet cigarette" noch einmal die Kippe in den Kaffee geschnippt. Nicht sweet oder sexy, sondern geradezu dystopisch ist diese Hymne an die Mutter aller Lungenkrebse. Fiese Elektro-Widerhaken reißen nässende Wunden in die von der Sucht zerfransten Mundwinkel. Die arrogant in schlechtem Englisch vorgetragene Stimme tut ihr Übriges. Genau im richtigen Moment das perfekte Gegengewicht zu den zuvor gedropten Li-La-Laune-Tracks. Selbst wenn man die Supertramp-Coverversion von "Don't leave me now“, für ihren pointiert käsigen Kitsch wahlweise lieben oder hassen kann – Vitalic ist mit "Voyager" ein Album zum Putzen und Pogen gelungen. Muss man auch erst einmal hinbekommen.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. El viaje
  2. Waiting for the stars
  3. Levitation
  4. Hans is driving
  5. Use it or lose it
  6. Lightspeed
  7. Eternity
  8. Nozomi
  9. Sweet cigarette
  10. Don't leave me now


Clip:
sweet cigarette

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