Sallie Ford - Soul sick




Sallie Ford hat viel zu sagen. Vor einigen Jahren, mit gerade mal Anfang 20, war sie die Frontfrau von Sallie Ford And The Sound Outside. 2013 kam es zur Trennung, Ford suchte sich eine neue Band und veröffentlichte schon im Jahr darauf ihr Solodebüt "Slap back". Doof: Mitbekommen hat das so gut wie niemand. Also suchte sich die Gute wieder eine neue Plattform, einen neuen Weg, setzte sich neue Ziele. Und startet nun, wie schon ein paar Male davor, einen neuen Versuch. "Soul sick", der zweite Alleingang der Sängerin aus Portland, wurde finanziert durch Spenden auf Pledgemusic.com und entstand in Zusammenarbeit mit Mike Coykendall. Der ist passenderweise vor allem auch durch seine Produktionen für M. Ward und She & Him bekannt – zu sagen, dass Sallie Ford viel mit der Zartheit einer Zooey Deschanel zu tun habe, wäre nun wohl reichlich übertrieben.
Und doch passt der von den Sechzigerjahren angehauchte Sound auch zur 29-Jährigen, die sich zwischen Rockabilly, Surf-Pop und hin und wieder gar zurückhaltenden Folk-Klängen offensichtlich pudelwohl fühlt. Für "Soul sick" durchforstete sie ihre alten Aufzeichnungen und wandelte diese in Songtexte um. Nicht nur deshalb kommt das Werk einem vertonten Tagebuch gleich – Ford gewährt tatsächlich einen derart privaten und intimen Einblick in ihre Gedankenwelt, dass man sich als Hörer schon bald fühlt, als würde man sie persönlich kennen. "I woke up feeling sour / On the sweetest summer day", so lautet die erste Zeile des Albums, gesungen im Opener "Record on repeat", gefolgt von einer zwischen Flehen und Fauchen wandelnden Erzählung über Einsamkeit und Isolation. So wird schon ganz am Anfang deutlich, was Fords mit Abstand wichtigstes Instrument ist.
Mit einer Stimme, die klingt, als wäre sie durch jahrelanges sonntägliches Singen im Südstaaten-Gospelchor gereift, macht Ford am Mikro niemand so schnell etwas vor. Dazu kommt ein feines Gespür für Melodien: Der verspielte Twang-Pop in "Failure" etwa kommt trotz der glasklaren Anlehnung an die mittlerweile auch schon seit knapp einem halben Jahrhundert nicht mehr existierende Girlgroup The Shangri-Las erstaunlich jugendlich und erfrischend daher. Währenddessen legt "Get out" einen ordentlichen Zahn zu und verbindet Fords musikalische Ängste mit ihren persönlichen – der gesangliche Ausbruch wirkt dafür auch doppelt befreiend. Versöhnlicher stimmt "Romanticized catastrophe", das zunächst entspannt vor sich hin schunkelt und sich in seiner zweiten Hälfte zur perfekten Untermalung für laue Sommerabende im Garten mausert.
Ohnehin ist es vor allem auch diese Mischung aus widerspenstiger Kratzbürstigkeit und sehnsuchtsvoller Melancholie, die "Soul sick" über weite Strecken ausmacht. Wie scheinbar mühelos Ford der Wechsel des an Alabama Shakes erinnernden Haudrauf-Retro-Rocks in "Loneliness is power" zum vollkommen herzzerreißenden "Unraveling" gelingt, indem sie die Tonleiter noch mal ein ganzes Stück raufklettert, ist durchaus bemerkenswert. Fast vergisst man, dass sie trotz des Newcomer-Status' eigentlich bereits ein alter Hase im Geschäft ist. Und so bleibt nur zu hoffen – oder zu wünschen –, dass es diesmal zu mehr als einem Achtungserfolg im kleinen Kreis reicht und dieser Seelen-Striptease nicht ganz umsonst war. Wäre schade: Sallie Ford hat sicher noch mehr zu sagen.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. Record on repeat
  2. Screw up
  3. Loneliness is power
  4. Get out
  5. Failure
  6. Middle child
  7. Never gonna please
  8. Romanticized catastrophe
  9. Hurts so bad
  10. Unraveling
  11. Rapid eyes
Clip:
Get out

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