Lilly Allen - Sheezus
Vor einigen Jahren saß ich im Auto meiner
Eltern, im Radio lief der lokale Radiosender. Unvermittelt lief ein
hübsches Popstück von Lily Allen: „Fuck you / fuck you very, very much“.
Im Lokalradio! Etwas später wurde diese Version zensiert und es klang
in etwa so: „Piep you / piep you very, very much“, damit war die Wucht
weg, leider.
Das Besondere an Lily Allens Musik ist, dass sie
große popfeministische Wut in hübsche Hitsongs verpackt, die nicht mehr
aus dem Kopf verschwinden. So geraten Schimpfkanonaden auch mal
klammheimlich in die Heavy Rotation. Dadurch hören dann auch mal die zu,
die sich noch nie mit den Problemen von Künstlerinnen im Musikgeschäft
auseinandergesetzt haben.
Für ihr drittes Album „Sheezus“
hat Allen sich nun etwas Zeit gelassen. Zeit, in der viel passiert ist,
sie hat geheiratet und Kinder bekommen. All diese Erfahrungen sind
Thema auf ihrem neuen Album, wie immer bei ihr verpackt in Popsongs, zu
denen es sich prima bei einer Pyjamaparty auf dem Bett herumhüpfen
ließe.
Girlpower ist das Stichwort, aber Allen
teilt lieber alleine aus, als Banden mit ihren Kolleginnen zu bilden.
Lady Gaga oder Beyoncé bekommen im titelgebenden Stück „Sheezus“ ihr
Fett weg. Der Titel ist auch eine Anspielung auf Kanye Wests Album
„Yeezus“, eine weitere Abrechnung mit der Glamour-Pop-Welt, wie sie
Allen nicht gefällt.
Gewohnt rüde singt
sie sich dann durch Texte über die Bettqualitäten ihres Manns („L8
Comer“) und rechnet mit den Behauptungen der Klatschpresse ab („Silver
Spoon“), und natürlich gibt es auch einen Song über ihr Künstlerleben
(„Hard out here“). Textlich ist „Sheezus“ also wieder erfreulich direkt:
Sie singt mit Haaren auf den Zähnen.
Musikalisch hingegen fehlt der Wumms. Die
Stücke sind zwar nach wie vor ordentliche Ohrwurm-Popsongs, äußerst
tanzbar und mit starkem R’n’B-Einfluss. An manchen Stellen hört man
Allen auch rappen, über ihre Periode zum Beispiel. Leider klingen die
elektronischen Beats, die das Ganze untermalen, wenig aufregend.
Fraglich ist zudem, ob es wirklich nötig war, dass Allen und ihre
Produzenten so tief in die Effekte-Kiste greifen mussten.
Im Refrain zu „Air Balloon“ zum Beispiel ist
ihre Stimme scheußlich hoch gepitcht. Das Lied hat sie kürzlich auch bei
einem recht seltsamen Auftritt in der TV-Show „Schlag den Raab“
Playback gesungen. Dazu hüpften leicht bekleidete schwarze Tänzerinnen
hinter ihr, ähnlich denen in Allens Videoclip „Hard out here“. Wenn es
als Ironie gemeint war, kam sie in diesem Moment nicht rüber. Es gab
eine Zeit, da wirkte Lily Allens Wut über die Härten des Showgeschäfts
glaubhafter.
„Life for me“ ist ein weiteres Beispiel. Lily
Allen bringt hier auf simple Weise Dinge auf den Punkt: „Why does it
feel like I’m missing something? / Been there and done that, and it’s
good for nothing / … / it’s a bit early for a midlife crisis“, dann aber
verschwinden diese Zeilen hinter dem Autotune-Effekt, der Allens Stimme
klingen lässt wie Schlumpfines kleine Schwester.
Als Bonus covert Lily Allen „Somewhere only we
know“, einen Song der britischen Band Keane. Allens Version hat in der
Weihnachtszeit bereits den Werbespot für ein Kaufhaus untermalt. Sie
zeigt, in all ihrem Schmalz, wie schön Allen eigentlich singen kann.
Falls sie ihren Kindern das Stück ab und an als Schlaflied vorsingt,
können die sich freuen. Seltsam, dass der Song auf „Sheezus“ gelandet
ist, denn er hat rein gar nichts zu tun mit dem Thema des Albums. Aber
gut, es heißt ja auch „Bonus Track“. (Quelle: TAZ)
Tracklist:
1. Sheezus | |
2. L8 Cmmr | |
3. Air Balloon | |
4. Our Time | |
5. Insincerely Yours | |
6. Take My Place | |
7. As Long As I Got You | |
8. Close Your Eyes | |
9. Url Badman | |
10. Silver Spoon | |
11. Life For Me | |
12. Hard Out Here |
Clip:
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