Michael Jackson - Xscape
Michael Jackson soll ein Perfektionist gewesen
sein, der an jedem Tanzschritt und jeder Klangnuance wieder und wieder
und bis zur Erschöpfung arbeitete. Ungewiss, was er davon hielte, dass
Ende 2012 sein „riesiger Tresor“ (so das Booklet) durchsucht wurde nach
unveröffentlichtem Material, das man noch veröffentlichen könnte. Er
wird seine Gründe gehabt haben, die jetzt unter dem Album-Titel „Xscape“
erschienenen Songs nicht mit auf ein Album zu nehmen, auch wenn sie
zugegeben fix und fertig klingen. Andererseits: Man ist eher angenehm
überrascht von der Qualität der Lieder.
Wie
schon das kürzlich erschienene posthume Johnny-Cash-Album ist auch
dieses keine lieblose Resterampe – ein gutes Geschäft für die
Beteiligten, allen voran Sony, und eine offene moralische Frage bleibt
es. Am Montag bzw. Dienstag vergangener Woche erschien „Xscape“ in
Großbritannien und den USA, inzwischen steht es in England (wenn auch
nicht den USA) an der Spitze der Albumcharts und in angeblich mehr als
50 Ländern auf Platz eins der digitalen Hitlisten. Der Name Michael
Jackson ist immer noch ein Magnet.Zuerst wurde
also der offenbar umfangreiche Nachlass gesichtet (vom nicht näher
benannten „Estate of Michael Jackson“) und wurden anschließend zwei
Dutzend Tracks in die engere Wahl genommen. Dann schaltete sich als
„Kurator“ (so wieder das Booklet) Sony-Chef L.A. Reid ein, der den
Hip-Hop-Musiker Timbaland zum Oberproduzenten machte, unter Mitwirkung
weiterer illustrer Produzenten, die teils in der Vergangenheit mit
Jackson gearbeitet hatten. Sie sorgten, ebenfalls wie beim Cash-Album,
bei dann acht ausgewählten Songs für einen zeitgenössischen Sound,
„fully updated“ nennt es die Werbung. Was bedeutet: Sie spritzten und
pumpten die Songs ein wenig auf, machten sie klangvoluminöser, manchmal
arg pompös, manchmal aber auch fetziger und dringlicher. Auf einer
Deluxe-Edition schließen sich den solcherart bearbeiteten Versionen die
Originale an, so dass ein direkter Vergleich möglich ist.Möglich,
dass Jackson-Fans aus Prinzip die jeweilige – im Klang schlankere –
Originalversion vorziehen. Zweifellos haben aber einige der
reizverstärkten, aktualisierten Fassungen auch etwas für sich. So der
Titel-Track „Xscape“, der zwar schon durch den tragischen Tod Jacksons
eine andere Schärfe bekommen hat, dem aber die Modernisierung (und eine
Kürzung) eine klarere Kontur gibt. Ungewöhnlich rau – fast möchte man
sagen: erwachsen – klingt Jacksons Stimme hier bei diesem gesungenen
Wunsch zur Flucht. Flucht vor Beobachtung, Druck, Beziehungen
(„relationships“), Lügen. Fast könnte man auch meinen, er hätte die
NSA-Enthüllungen vorausgesehen („the system’s in control“ heißt es,
„electric eyes“ überwachen alles), aber es wird wohl 1999 die eigene
Betroffenheit und Paparazzi-Bedrängtheit sein, die Ausdruck sucht.
Das
Spektrum von „Xscape“ ist breit. 1983 spielte Schlagersänger Paul Anka
selbst Klavier bei der Aufnahme von „Love Never Felt So Good“, einem
Song von ihm und Jackson. Das fingerschnippende, leichtfüßige
Wohlfühllied eröffnet jetzt das Album. „Loving You“, der dritte Song,
ist ähnlich sonnig, eine gesungene, hübsch schillernde Seifenblase.
Schräg ins Ohr wurmt sich dann eine originelle Abwandlung von „A Horse
With No Name“, Jackson hat „A Place With No Name“ daraus gemacht und
erzählt in Balladenform die Geschichte einer Autopannen-Begegnung mit
einer geheimnisvollen Schönen. Die berühmten Kiekser eröffnen danach die
eher traurige Geschichte einer unterdrückten Frau, ein drängendes,
mittelhartes Lied. An der Originalaufnahme 1991 war Sony-Chef Reid
beteiligt.
Das Album geht vom Helleren zum
Dunkleren. Es bleibt dabei tanzbar – ernste Texte und in die Beine
gehende Musik haben sich bei Jackson ja nie ausgeschlossen. Und da kommt
wieder sein Perfektionismus ins Spiel: Wie rhythmisch auf den Punkt
jeder Kiekser und Jodler, jedes Ausatmen und Stöhnen gesetzt sind, das
macht Michael Jackson eben immer noch keiner nach.(Quelle: fr-online.de)
Tracklist:
1. Love Never Felt So Good - Jackson, Michael / Heijden, Franck Van Der |
2. Chicago - Jackson, Michael |
3. Loving You - Jackson, Michael |
4. A Place With No Name - Jackson, Michael / Eriksen, Mikkel S. / Hermansen, Tor |
5. Slave To The Rhythm - Jackson, Michael / Gold, Larry / Tirpak, Steve |
6. Do You Know Where Your Children Are - Jackson, Michael / Gold, Larry / Tirpak, Steve |
7. Blue Gangsta - Jackson, Michael / Gold, Larry / Tirpak, Steve |
8. Xscape - Jackson, Michael / Gold, Larry |
9. Love Never Felt So Good - Michael Jackson & Justin Timberlake / Jackson, Michael / Timberlake, Justin |
Clip:
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