Noah and the whale - Last night on earth

Das Berufsleben mit ins Private nehmen? Davon wird weithin abgeraten. Aber offenbar hat keiner Charlie Fink ausgeredet, das Private mit ins Berufsleben zu nehmen. Seine Band Noah And The Whale ist wie ein Spiegelbild seiner Gefühlswelt. Geht es ihm gut, so sind seine Songs fluffig, kurz und optimistisch. Fühlt er sich mies, sind das Ergebnis Elegien wie der sechseinhalbminütige Titelsong des Vorgängers "The first days of spring". "Ich musste das Album einfach machen", sagt er darüber rückblickend, "es war sehr kathartisch, es zu schreiben und aufzunehmen." Jetzt ist Fink drüber hinweg, über diese Trennung von dieser Frau namens Laura Marling, die hier lieber nur in einen Nebensatz erwähnt wird - nicht dass er wieder daran erinnert wird. Fink hat so viel Distanz zu der Sache aufgebaut, dass er in der dritten Person von sich singt: "He used to be somebody / Now he's someone else", heißt es 2011. Klar, dass auch der Sound bei so viel persönlichem Anderssein mitmachen musste: Hinfort ist der Trüb-, da ist der Frohsinn. Fink geht's gut. Schön für ihn.

Aber ist das auch für den Zuhörer ein Segen? Durch das dritte Noah-And-The-Whale-Album "Last night on Earth" ziehen sich Synthies, die sogar Van Halen zu laut aufgedreht wären. Lila-Laune-Bär-Refrains, bei denen es sogar einem Mika zu bunt werden würde. Und eine Hookline wie "Tonight's the kind of night / That everything could change" hat man sogar schon von einem Fünftklässler niveauvoller gehört. Aber das ist nur der erste Eindruck. Die Wahrheit ist: Es ist die Wahrheit. Diese Songs sind echt. Es ist das wahre Hier, das Leben 1.0. Es ist ein Album, das schon nach wenigen Tagen dazugehört, als sei es ein guter Freund, den man lange kennt. "Last night on Earth" ist eine Herzensangelegenheit und kann sogar jemanden zum Schreiben einer Plattentests.de-Rezension bewegen, der sich das schon vor Jahren abgewöhnt hatte.
"L.I.F.E.G.O.E.S.O.N." dient gleichzeitig als großes Statement und als Single - und geht nach dem Motto vor, dass gut geklaut besser ist als schlecht selbst gemacht. Im Januar 2011 hat die Band das Video auf YouTube gestellt, in den drei Monaten danach haben sich gut 600 Kommentare weithin mit dem Mischungsverhältnis beschäftigt. "45% Don't Come Around Here No More - Tom Petty + 45% Lola - The Kinks + 10% Walk On The Wild Side - Lou Reed = A 100% great song I just can't get out of my head!!!!!", bringt es einer auf den Punkt. Es ist keine frische Komposition, es ist eine Mischung aus Klassikern, die perfekt zu einem Neuen zusammenpasst.
Auch die restliche Platte ist eine Mischung. Aus 45 Prozent Friede, 45 Prozent Freude und 10 Prozent Eierkuchen. Die schnelleren Dreiminüter wollen mit aller Macht rein in den Kopf und dann nicht mehr raus. "Give it all back" besingt den Sommer 1998 in der Vorstadt, als man eine Band namens The Devil's Playhouse gründete und die ersten peinlichen Auftritte trotzdem bejubelt wurden. Man war halt jung. Die nähere, schmerzhafte Vergangenheit - wir erinnern uns - bleibt indes eher außen vor, wichtig ist die Gegenwart. "Life is life" ist die ultimative Hymne auf das Hier und Jetzt, "Tonight's the kind of night" macht alle zu absoluten Giganten, für die es normal ist, sich um zwei Uhr morgens auf einen öffentlichen Platz zu stellen und "JAAAAAAAA!" zu rufen. Und durch all die Ritzen haben es neben dem Sonnenschein auch noch Songs wie "Wild thing" oder "Old joy" geschafft, die im Tempo nah am Vorgänger bleiben und sich in ihrem Nicken-statt-Kopfschütteln doch ganz anders bewegen. Um noch den Albumtitel aufzuklären: Dieser stammt aus "L.I.F.E.G.O.E.S.O.N." und lautet mit Drumherum: "On the last night on Earth / I'd pay a high price / To have no regrets / And be done with my life." Das Gestern ist vorbei, heute ist alles bestens, und hey, komm Du nur, liebes Morgen. Die einfachen Wahrheiten sind die wahren Wahrheiten.(Quelle: Plattentests)

Tracklist:
1. "Life is Life"

2. "Tonight's the Kind of Night"
3. "L.I.F.E.G.O.E.S.O.N."
4. "Wild Thing"
5. "Give it All Back"
6. "Just Me Before We Met"
7. "Paradise Stars"
8. "Waiting for My Chance to Come"
9. "The Line"
10. "Old Joy"

Clip:
L.I.F.E.G.O.E.S.O.N

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Silver Lining - Heart and Mind Alike

Trentemoeller - Reworks