Wye Oak - Civilian
Drastisch elektrifizierter Folk mit dem Potenzial zur ganz großen Geste und grandiosen Songs voll düsterer Verheißung. Es gibt diesen einen Moment, eine Minute vor Songschluss: Die Gitarre – vorher schon ein paar mal wild an den Ketten zerrend – explodiert förmlich im Hintergrund, zerfliegt in eine alles überstrahlende Fast-Feedbackschleife, alles ist laut, sinnesbetäubend, gefährlich am Abgrund taumelnd, wundervoll und aufregend. „Civilian“ ist der titel- und sinngebende Song dieses doch ein wenig überraschend großartigen Albums. Im fünften Jahr des Bestehens und mit diesem dritten Album scheint irgendein Knoten geplatzt, bei diesem unkonventionell agierenden Duo aus Baltimore. Es betreibt eine Art elektrifizierten, verzerrten Folk, schon personell bedingt auf das Notwendigste reduziert, ohne Schnörkel und verspielt maximal im Sinne der systematischen Stör-Einsprengsel – manchmal wachsen sie sich auch zur Songzerstörungs-Orgie aus –, die den Sound dieses Albums prägen. Jenn Wasner singt dabei immer, als ob sie die Zähne nicht auseinanderbekommen würde, es ist diese Art von verweigerter Perfektion, die Bands interessant macht; ihre dunkel eingetönte Stimme ist sowieso passend für diese Musik mit ihrer düsteren Verheißung und dem immerwährend unruhigen Brodeln unter der nur mühsam ruhig gehaltenen Oberfläche. Es sind im Wesen getragene Songs, allerdings immer wieder in Richtung Noise driftend, ein wenig unterlegt mit einer Orgel hier und einem elektronischen Effekt da, begleitet vom stoischen Beat, den Andy Stack fast schon gar nicht anders spielen kann, da er ja mit allerlei sonstiger Sounderzeugerei beschäftigt ist. Es ist eh ein musikalisch einigermaßen obskures Konzept, was dieses Duo betreibt: die Sängerin spielt Gitarre, soweit okay, der Rest ist bisweilen seltsames Multitasking zwischen Keyboards und eben Schlagzeug. Das kleine Wunder ist, dass dies nicht absurd anmutet, sondern einen zwar drastisch heruntergeköchelten aber doch weitgehend geschlossenen Sound erzeugt. Es sind einige grandiose Songs zu hören auf „Civilian“, neben dem Titelsong. „Holy Holy“ ist so einer, mit seiner massiv aufgestellten Gitarre, neben der Wasners Stimme geradezu schüchtern anmutet. Oder das erst als kleines Singsang-Stück beginnende „Dogs Eyes“, das immer wieder von Feedback-Breaks unterbrochen wird, bevor eine schwerlastige Lärmorgie hereinbricht und so schon den „Civilian“-Effekt vorwegnimmt. Oder das ins Majestätische wachsende „Hot As Day“ mit seiner hymnischen Breitwandigkeit. Es ist ein mehr als bemerkenswertes, enorm eigenes Album, das Wye Oak da eingespielt haben.Ein Album, von dem man sich abseits der üblichen Hypemaschinen begeistern lassen muss und vor dessen Attitude man sich verneigen darf.(Quelle: motor.de)
Tracklist:
1. Two Small Deaths
2. The Alter
3. Holy Holy
4. Dogs Eyes
5. Civilian
6. Fish
7. Plains
8. Hot as Day
9. We Were Wealth
10. Doubt
Clip:
Civilian
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