Clap Your Hands Say Yeah - The Tourist

Mit Alec Ounsworth verhält es sich wie mit dem alten Leierkastenmann, der einmal im Jahr auf dem Festplatz erscheint. Wenn kein Volksfest ist, denkt man kaum an ihn. Das richtungsweisende, selbstbetitelte Debüt von Ounsworths Band Clap Your Hands Say Yeah liegt schließlich zwölf Jahre zurück. Eine Zeit, in der selbst die mächtigsten Götzenbilder rosten. Aber ist es dann doch so weit, und Ounsworth kündigt ein neues Album an, weiß man schlagartig, warum man den Barden der erwachenden Indie-Szene der Nullerjahre aufs Schmerzlichste vermisst hat. Seine Drehorgelstimme. Die heulende Mundharmonika. Das hypnotische Rauschen, das der Sound hinterlässt.
Wie nostalgisch man auch werden will: Die letzten Auftritte der Band in Albumlänge hatten weniger Esprit als rotierende Armbewegungen. Das noch experimentierfreudige – wie auch unterschätzte! – "Some loud thunder" verschwand im Schatten des Erstlings. "Hysterical" zog sich unter eine dicke Schicht musterpoppiger Geradlinigkeit zurück. Gequält aufregend und letztlich erschöpfend. In "Only run" schließlich versenkten sich die an Mitgliederschwund kränkelnden Durchstarter von einst in einem Synthie-Kosmos mit viel Platz für Belanglosigkeiten. Zugegeben: Es gab auch immer Lichtblicke. Nur der Hoffnungsschimmer, dass Clap Your Hands Say Yeah allein dank Alec Ounsworth und seinem Organ an frühe Erfolge anknüpfen könnten, war dahin.
Für "The tourist" verspricht er in einer seiner wenigen Aussagen zum bevorstehenden Album genau das: Gesang diktiert Sound. Als Orientierungspunkte nennt er Paul Simon und Elvis Costello, für den Mix war ein alter Bekannter zuständig: David Fridman, der bereits bei "Some loud thunder" und "Only run" seine Finger im Spiel hatte. Einmal mehr, einmal weniger glücklich. "The tourist" verklärt Ounsworth im Vorfeld zu einer Säuberungsaktion seiner emotionalen Verwirrung, die sich in den letzten Jahren eingestellt habe. Und er greift zu den richtigen Mitteln: Der Opener "The pilot" präsentiert sich wie ein supersanftes Mikrofasertuch statt einer ätzendenChemiekeule zur inneren Reinigung. Die Gitarre klingt, als hätte Meister Proppers biogepolte Putzfrau höchstpersönlich die Saiten gestreichelt. Kristallklar und rein ist Ounsworths Stimme, blitzeblank der Übergang zu "A chance to cure".
Ganz ohne Gejammer funktioniert auch "The tourist" nicht. Die Mundharmonika, als Instrument der (in sich) Gefangenen und Tagediebe, klagt im Gleichklang mit der Leierkastenmentalität in "Unfolding above the celibate moon" an, dass die Chancen nicht gut stehen, jemand zu sein, der man nicht ist. Dass sich die tragische Figur tatsächlich in eine andere Haut wünscht, kann man sich aber nicht vorstellen. Der Puls der Platte mit ihren unzähligen Tempowechseln lebt von der Unstetigkeit und von den Gefühlsschwankungen. Die repetitiven "Nononono"s der manischen Single-Auskopplung "Fireproof", das Anschwellen und Absacken menschlicher Eitelkeiten in "The vanity of trying": Alles spricht dafür, dass sich der einstige Wunderknabe aus Pennsylvania dort am wohlsten fühlt, wo er nicht mit sich im Reinen ist. Eine Drehorgel könnte Alec Ounsworth jedenfalls nie bedienen. Dafür fehlt ihm glücklicherweise die Beständigkeit in seiner alten Leier. (Quelle: Plattentests)


Tracklist:
1. The Pilot (03:11)
2. A Chance to Cure (03:36)
3. Down (Is Where I Want to Be) (03:48)
4. Unfolding Above Celibate Moon (Los Angeles Nursery Rhyme) (03:18)
5. Better Off (04:36)
6. Fireproof (04:00)
7. The Vanity of Trying (04:43)
8. Loose Ends (02:26)
9. Ambulance Chaser (03:08)
10. Visiting Hours (04:35)


Clip:
Down

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