The Feelies - In Between



Es ist ungerecht, dass nur jene Menschen Auszeichnungen und Titel kassieren, die sich systemkonform und profitabel verhalten – den Darwin-Award ausgenommen. Für The Feelies müsste man jedenfalls eine ganze Reihe von Preisen erfinden, die sich Glenn Mercer, Bill Million und der Rest der Band einen über den anderen an die Wand nageln könnten. "Meistgefeierte Newcomer mit der schlechtesten Marketingstrategie" zum Beispiel. Oder: "Einzige Band der Welt, die sich gegen Liveauftritte erfolgreich wehrte", "Avantgardekünstler mit Zukunftsängsten", "Größte vergessene Band". Die Geschichte von The Feelies liest sich, wie ein Almanach vertaner Chancen in mehr als 40 Jahren Bandgeschichte mit langen Unterbrechungen.
Tatsächlich haben The Feelies vor fast vier Jahrzehnten einen Titel abgestaubt. Die Zeitschrift Village Voice wählte die Jungs mit ihren zugeknöpften Hemdkragen zu "The best underground band in New York". Zwei Jahre später erschien das von den Kritikern gefeierte, von den Kunden US-amerikanischer Plattenläden verschmähte Debüt "Crazy rhythms". Schon bald gehörte es für Bands wie R.E.M. zum guten Ton, die New Yorker Wunderkinder in einer Reihe mit Television oder Talking Heads zu nennen, wenn Journalisten sie nach bedeutenden Wegbereitern fragten. Nur The Feelies selbst mischten nicht mehr wirklich im Musikzirkus mit. Die Live-Auftritte spielten sich größtenteils in und um New York ab. Fünf Jahre verschwanden Mercer und Million von der Bildfläche, ehe sie 1986 das weitaus weniger janglepoppige "The good earth" veröffentlichen. "Only life" und "Time for a witness" folgten bis 1991, nur die anfängliche Euphorie war verflogen. Die Zweitbesetzung löste sich auf, Million zog sich 17 Jahre zurück, bis es 2008 zur unerwarteten Reunion kam. Wenn Mercer später über die Bandgeschichte spricht, klingt es so, als hätte man nie etwas anderes vorgehabt. Spielen, wenn man Lust darauf hat. Verabschieden und zufällig treffen und abwarten, ob am Ende ein Album dabei herauskommt.
Seltsamerweise ging der Plan auf. 2011 erschien "Here before" und war weitaus abgeklärter als der wildwüchsige Sound aus Anfangszeiten. Auch "In between" klingt so, als hätte die Band in 40 Jahren nichts anderes gemacht, als das, was alternde Rockbands eben so tun. Eine klare Linie suchen und festigen, abgeklärter auftreten, Revoluzzertum ablegen. Das ist einerseits schade, denn man sehnt sich nach immer noch nach einem Comeback der "Crazy rhythms", zweifellos ein Meisterwerk. Andererseits steht Mercer und Million der unaufgeregte, abgeklärte Gestus prächtig. Der Opener "In between" verwandelt die wechselhafte Bandgeschichte zu geradliniger Unbekümmertheit und gibt die Marschroute der sechsten Platte vor: gitarrenlastige Träumereien zu kryptischem Songwriting. Wenn The Feelies bei "Stay the course" ein ums andere Mal das "Keep on trying" hauchen, erklingt da eine Band, die trotz aller Unwägbarkeiten des Musikbusiness ihren Frieden mit sich selbst gemacht hat. Wer braucht schon einen Grammy, wenn man 40 Jahre Untergrund sein kann? "In between" klingt nicht erschöpft, aber dennoch nach Abschied. "When to go" und "Time will tell" sind routinierte Abgesänge, in sich gekehrt und vollkommen unpathetisch. Was die Welt in der Zeit ohne The Feelies verpasst hat, offenbart schließlich "In between (reprise)". Auf fast neuneinhalb Minuten erstreckt sich die Experimentierfreude einer Band, die sich nicht darum kümmert, wo sie in der Musikgeschichte verortet wird. Auszeichnungen? Nebensache. The Feelies wollten sich nie ein Monument errichten, keinen Trend mitgehen, erden statt abheben. Zugeknöpfte Hemden statt Ordensleisten.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. In between
  2. Turn back time
  3. Stay the course
  4. Flag days
  5. Pass the time
  6. When to go
  7. Been replaced
  8. Gone, gone, gone
  9. Time will tell
  10. Make it clear
  11. In between (Reprise


Clip:
Gone gone gone

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