Bat for Lashes - The Haunted man


Als die Einhornmilch brodelte, rührte sie Mythenmark, Fabelsalbe und Sternenstaub hinein, schmeckte mit einer Bibelprise ab und servierte Pop-Esoterik samt spirituellen bis spinnerten Implikationen. So malte man es sich gern aus bei den Songs, die Natasha Kahn alias Bat For Lashes auf den Alben „Fur And Gold“ (2006) und „Two Suns“ (2009) spielte.
Letztere Platte bot dazu visuell ein Wimmeln, das an manch überbordendes Bühnenbild der Fernsehsendung „Wetten, dass . .?“ gemahnte. Dagegen zeigt das Cover von „The Haunted Man“ die englisch-pakistanische Sängerin nun nackt, wie sie einen ebenfalls nackten Mann trägt, den sie erlegt oder errettet haben könnte.
Beim fein einsetzenden, bisweilen bassdröhnenden, schließlich emporschwebenden Auftakt „Lilies“ muss doch erst mal der Mann als Retter ran. Khan singt vom einsamen Gebet, von grabesgleicher Leere und dem als Zeichen des eigenen Lebendigseins ersehnten Blitzschlag. Dann erscheint ein winkender Mann auf dem Hügel und schickt hundert Kinder an ihre Tür, „all bringing dreams to drink“. Wo Träume getrunken werden, lässt sich sicher auch Licht lecken - das passiert drei Lieder weiter, wenn im rolligen „Oh Yeah“ zwischen Chor-Sample und Synthesizer-Fanfare nicht nur die Metaphern blühen. „It’s basically my biological clock ticking, loudly!“, erzählte die Dreiunddreißigjährige dem Musikmagazin „Q“ über das Stück.
Diese Art des Songschreibens als Selbsterkundung unterscheidet „The Haunted Man“ von der Verhüllung hinter einer fiktiven Figur namens Pearl auf dem stark durch Amerika inspirierten Konzeptalbum „Two Suns“, das Platz fünf der britischen Charts erreichte und Bat For Lashes mit der „Karate Kid“-Hommage „Daniel“ den Ivor-Novello-Preis des Jahres 2010 für den besten zeitgenössischen Song brachte.
Nach Charterfolg und Tourbetrieb dauerte es mit neuen Liedern. Natasha Khan lebte wieder in Brighton, wo sie studiert hatte, und wusste nicht recht, wie es mit ihr und der Musik weitergehen sollte. Wenn sie in Interviews über Katzenkauf, Gartenarbeit und Versenkung in die Landschaft von Sussex spricht, erinnert der Wunsch nach Heim und Heimat an das traurige Lied „Prescilla“ auf „Fur And Gold“. „Been on the road for so long“, hieß es da etwa in Worten, die mittlerweile merkwürdig prophetisch wirken müssen: „She wants to live in a place that has a number and a name / Find love as an anchor before the courage is gone“.
Größere Bedeutung als bei den ersten beiden Alben kam diesmal der Zusammenarbeit mit Musikerkollegen zu. Während Sechziger-Ikone Scott Walker den Beitrag zum Schlussduett „The Big Sleep“ auf „Two Suns“ per E-Mail geliefert hatte, weilte Khan jetzt als Gast von Neunziger-Slacker Beck zum Musikmachen in Malibu und schrieb außerdem ein Stück mit Justin Parker, dem Koautor von Lana Del Reys Hit „Video Games“. Was aus der Krise und den Kollaborationen wuchs, fügt sich auf „The Haunted Man“ zur bislang besten Platte von Bat For Lashes.
Mehrere Lieder variieren Motive von Heimkehr und Ankunft. Statt als Kinderbringer wie zu Beginn begegnet uns der Mann im hörspielhaften, um einen trocken trommelnden Mittelteil mit herbeimarschierendem Soldatenchor gebauten Titelstück aber als wahngeplagter Veteran, den die mit dem Vergessen ringende Verlassene bang begrüßt. Fröhlicher gestimmt künden das elektroschamanische Beschwörungsmantra „Horses of the Sun“ und der zu Bollern und Piepsen die Ruhe suchende Dialektiktanz „Rest Your Head“ vom Versprechen heilsamer Zweisamkeit; ihre Achtziger-Anleihen verhehlt Bat For Lashes wieder nicht.
Arg unsinnige Heliumstimmenspielerei schmälert die staranschmachtende Schönheit des vom Besuch bei Beck gebliebenen „Marilyn“. Der mit Parker geschriebenen Pianoballade „Laura“ gelingt ein tränenreiches Porträt des verglühenden Partysternchens, dessen Namen alle Jungs als Tattoo auf der Haut tragen.
 In den bläserbrummenden, streicherwirbelnden Schneeflockenzauber von „Winter Dreams“ seien Kindheitserinnerungen an Autofahrten durchs verschneite Land eingegangen, erklärte Natasha Khan. Doch einmal singt sie die Zeilen: „Under the stairs taps the metronome / The diver’s suit that we’ve all outgrown / I need to get to where the wild things roam / Through all of my winter dreams“. Wie das Coverfoto von Ryan McGinley die nackte Person in den Mittelpunkt stellt, ohne sie zu entblößen, so geben auch die Songs von Bat For Lashes ihr Geheimnis nie ganz preis.(Quelle: FAZ)

Tracklist:
1. "Lilies" 4:45
2. "All Your Gold" 4:31
3. "Horses of the Sun" 4:59
4. "Oh Yeah" 4:53
5. "Laura" 4:27
6. "Winter Fields" 3:41
7. "The Haunted Man" 5:18
8. "Marilyn" 4:35
9. "A Wall" 4:00
10. "Rest Your Head" 4:02
11. "Deep Sea Diver" 6:19

Clip:
All your gold

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