Moby - Everything Was Beautiful, And Nothing Hurt




Nach der Wut kommt die Akzeptanz oder gar die Resignation. Aus dem Selbstschutz heraus gegenüber den Dingen, die nicht zu ändern sind – warum also noch das letzte bisschen Energie verschwenden? Moby war wütend. Wütend genug, um sich mit The Void Pacific Choir eine Fake-Band hochzuziehen und mit "These systems are failing" und "More fast songs about the apocalypse" zwei übertrieben programmatische Platten einzuspielen, voll von aggressivem, grobmotorischem Synth-Punk. Gegen Umweltverschmutzung, gegen Raubtierkapitalismus, gegen Trump. Das beeindruckte zwar in seiner Konsequenz, aber nicht musikalisch. Glaubt man nun "Everything was beautiful, and nothing hurt" macht kein Aktionismus mehr Sinn. Der Titel bleibt Zynismus, die Hoffnungslosigkeit überstrahlt alles.
Auch Mobys 15. Album ist im Wesentlichen eine Laptop-Kreation, allerdings aus gänzlich anderem Stoff geschnitzt als seine Vorgänger. Weite, cinematoskopische Soundflächen bestimmen den Sound, Beats halten sich in kühler, mechanischer Zurückhaltung, meist mit niedrigem Tempo. Das Dutzend Songs könnte problemlos einen post-apokalyptischen Blockbuster untermalen, in einer Welt, welche Menschen bestenfalls noch als Randerscheinung enthält und sich die toxische Verschmutzung wie ein Geschwür auf der Oberfläche festgesetzt hat. Dazu wehklagt Gastsängerin Raquel Rodriguez beispielsweise beim an ein aus der Sklaverei stammendes Traditional angelehnten "Like a motherless child", die Musik weiß sich derweil nicht zwischen Trostlosigkeit und innerer Ruhe zu entscheiden und stirbt in Schönheit.
Die massige Packung Pathos kann "Everything was beautiful, and nothing hurt" zunächst erschlagend wirken lassen. "Now watch the storm rise", heißt es schon im stimmigen Opener "Mere anarchy" und es wird nicht weniger bedeutungsschwanger. Durch die dichte Atmosphäre rechtfertigt sich das. "The ceremony of innocence" verzaubert gleichermaßen mit seinem repetitiven, kleinzyklischen Klaviermotiv und der unvermittelt einfallenden bombastischen Streicher-Armada. "Welcome to hard times" trifft mit dem Fokus auf der eindringlichen Gesangslinie die richtige Entscheidung, das sehnsüchtige, vocodergeschwängerte "Falling rain and light" befreit das trippelende Klavier immer wieder aus der dicken Schicht Keyboards. Nicht selten klingen ältere Moby-Werke wie "Play" an, jedoch immer im Kontext des dystopischen Settings, so dass nie der Eindruck bloßen Abschreibens entsteht.
Der Glatzkopf selbst mag da vielleicht der einzige echte Schwachpunkt in dieser knappen Stunde sein. Wenn er seine Stimme nicht im Dienste der Songs verfremdet und damit den menschenleeren Charakter unterstreicht, verfällt Moby in einen monotonen, dünnen Sprechgesang, der einem Stück wie "The waste of suns" etwas von seiner Atmosphäre nimmt. Einem Nick Cave oder Matt Berninger hätte man an solchen Stellen sicher gerne zugehört, Moby besitzt allerdings weder das Volumen noch die Ausdruckskraft, um die schweren Themen fesselnd zu transportieren. Auch wenn die Texte erfreulich wenig plakativ sind. Dass "Everything was beautiful, and nothing hurt" trotzdem ein überraschend einnehmendes Gesamterlebnis ist, verdankt es eben vor allem den darunterliegenden Tonspuren, die alle Vocals sowieso zur Nebensache degradieren. Die nukleare, polkappenschmelzende oder asteroidenhaltige Apokalypse kann also kommen. Den Soundtrack dazu haben wir jetzt.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. Mere anarchy
  2. The waste of suns
  3. Like a motherless child
  4. The last of goodbyes
  5. The ceremony of innocence
  6. The tired and the hurt
  7. Welcome to hard times
  8. The sorrow tree
  9. Falling rain and light
  10. The middle is gone
  11. The wild darkness
  12. A dark cloud is coming
Clip:
Like A Motherless Child

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