Jessie Ware - Devotion


Seitdem zur Zeit an den unterschiedlichsten Orten daran gewerkelt wird, den zuletzt etwas in Ungnade gefallenen R’n'B auch in kulturell kredibleren Zusammenhängen wieder populär zu machen, lassen sich auch wieder die verzweifelten Versuche einiger Kritiker beobachten, Gut von Böse zu trennen. Jedem sein vereinfachtes Weltbild, aber dass sich so mancher Usher-Track auch auf Frank Oceans Album gut machen würde (oder umgekehrt), lässt sich nunmal schwer leugnen. Von solchen in diesem Zusammenhang völlig fehlgeleiteten Konstrukten wie “Authentizität” einmal ganz zu schweigen.

Die Britin Jessie Ware jedenfalls darf sich gewiss sein, in diesen altvorderen Grabenkämpfen auf der sicheren Seite zu stehen, begann sie ihre Karriere doch als Sängerin an der Seite des überaus hippen Elektro-Produzenten SBTRKT. Auf ihrem Debütalbum „Devotion“ bettet sie sich nun in seidigen Edelpop und positioniert sich damit nachdrücklich im gar nicht einmal so breiten Feld zwischen Hitparaden und Feuilleton.
Lieder wie das über majestätischen Drumpatterns schwelgende „Wildest Moments“ scheuen sich dabei nicht allzusehr vor großem Pathos. Dem inneren Auge jedenfalls sind kaum Grenzen gesetzt, sich dazu die wunderbarsten Schwarzweiß-Videos auszudenken, in denen unter anderem leere Strände, Meeresbrandung, luftig bekleidete Körper und wilde Pferde eine Rolle spielen. Auch „Running“ gibt sich abseits eines synthetischen Bass-Motivs kaum Mühe, seine Verwandschaft zu Mid-Tempo Balladen von sagen wir einmal Whitney Houston zu verbergen. Das Kunststück besteht darin, trotz phallisch gniedelnder Gitarren im Mittelteil immer noch “sophisticated” rüberzukommen, was hier nicht nur dank stoisch wummernder Beatgewalt außerordentlich gut gelingt. Genauso stellt man sich einen feinen, radiokompatiblen Popsong im Jahr 2012 wahrscheinlich vor. Ein Stück zu weit treibt diese Schiene dann „Taking In Water“, das mit gospeligen Background-Chören auf Teufel komm raus versucht, die volle emotionale Bandbreite aus Jessie Wares über alle Zweifel erhabener Stimme herauszupressen.
Aber solche Songs machen eben auch nur die eine Seite von „Devotion“ aus. Auf der anderen Seite stehen Tracks wie „Still Love Me“, wo Jessie Ware und ihr Produzent Dave Okumu (neben Okumu von der Artrockband The Invisible wirkten noch Julio Bashmore und Kid Harpoon als Songwriter und Produzenten am Album mit) klassische Songstrukturen zerfasern, Beats und Soundfetzen munter gegeneinander rasseln lassen, bis sie schließlich unter abgespeckten Melodiebögen doch noch zueinander finden. Nicht ohne Grund fühlt man sich dabei so manches mal an die Zusammenarbeiten Róisín Murphys mit Matthew Herbert erinnert. Ein Paradebeispiel für schwerelosen Minimalismus bildet hingegen die fabelhafte Single „110%“, auf der Jessie Ware leichtfüßig über aparte Bassgluckser und heruntergepitchte Vocalsamples hinwegtänzelt.
Man muss „Devotion“ nicht größer machen als es ist. Die Zukunft der Popmusik, die manch ein Kritiker hier auszumachen scheint, wird mit diesem Album jedenfalls nicht eingeläutet. Einem Großteil der versammelten Songs gelingt es jedoch mühelos, hübsche Bögen zwischen 80er- und 90er-Referenzen und R’n'B-Moderne zu schlagen, die dann von Jessie Wares durchaus divatauglicher Stimmgewalt veredelt werden. Am Ende steht ein außerordentliches Pop-Album, dem man gerne verzeiht, manchmal etwas mehr zu scheinen als zu sein.(Quelle: AUFTOUREN:DE)

Tracklist:
01 Devotion

02 Wildest Moments
03 Running
04 Still Love Me
05 No to Love
06 Night Light
07 Swan Song
08 Sweet Talk
09 110%
10 Taking in Water
11 Something Inside

Clip:
Night Light


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