Pet Shop Boys - Elysium




o    "That's it, the end / But you'll get over it my friend." Nicht wenige riefen bei diesen Worten aus "Legacy", dem letzten Song auf "Yes", das Ende der Pop-Helden der 1980er aus. Doch, sorry, da haben euch die Pet Shop Boys ganz schön an der Nase herum geführt. Es geht immer noch weiter.  
Doch wie? "Yes" hat 2009 fast alles gesagt, das es zu den Themen Pop-Song und Ohrwürmer zu berichten gibt. Gleichzeitig legt es die Latte bei dem seit 2002 mehr und mehr wiedererstarkten Elektropop-Duo vermaledeit hoch. Ein Scheitern erscheint vorprogrammiert.
Die beiden Briten machen das einzig Vernünftige und ziehen sich musikalisch in ihr Schneckenhäuschen zurück. "Elysium" bildet den Gegenpol zum Vorgänger. Kam dieser noch einer Sommernachtsparty gleich, stehen nun verblassender Ruhm, das Altern und der Abschied vom Leben eines Popstars im Vordergrund. Heia, hussassa, der Herbst ist da. Die Stimmung ist gesetzter, die Sounds stark retro gehalten.
Mit fast sechzig sei es Tennant erlaubt, leise, melancholisch aber ebenso verschmitzt über die Vergangenheit zu schwadronieren. Mit einer warmen Decke über den Beinen und einer Tasse Tee in der Hand sitzt er am Fenster und schaut den fallenden Blättern zu. "Still bedenk' ich mich und frage, wer mag der Abgeschiedne sein? Der Jüngling aus der vergangnen Zeit?"
Für ihr mittlerweile elftes Studioalbum haben sich die Pet Shop Boys Andrew Dawson als Produzenten ins Studio geholt. Der Mann, der vorher mit Kanye West, Kelis oder Common gearbeitet hat, bringt den beiden Engländern etwas mehr Minimalismus bei. Ansonsten ändert sich nicht viel. Die Pet Shop Boys sind die Pet Shop Boys sind die Pet Shop Boys. Da ist es im Grunde völlig egal, ob sie von Rick Rubin, David Guetta oder einem antiken Kleiderschrank produziert werden.
Für ihre neusten Maschinen haben Neil Tennant und Chris Lowe keine Verwendung mehr. Sie greifen fast komplett auf die alten Sounds zwischen "Actually" und "Behaviour" zurück. So verwundert nicht, wenn das prachtvoll fließende "Leaving" einem untoten "Being Boring" gleich dem Grabe ersteigt. "Our love is dead / But the dead don't go away / They made us what we are / They're with us every day."
"Invisible" drosselt das Tempo auf das Minimum. Inhaltlich setzt sich die nachdenkliche Ballade mit fortschreitender Bedeutungslosigkeit auseinander. "After being for so many years / The life and soul of the party / It's weird / I'm invisible." Tennant geht in Text und Melodie auf. Nach und nach scheint er zu verblassen, bleibt zuletzt kaum greifbar. "Am I tragic or a joke / Wrapped in my invisibility cloak?"
"Your Early Stuff" bleibt dem Thema treu. Das Ausbleichen der eigenen Berühmtheit, das Leben als ehemaliger Star. Wenn sich im Refrain die Zeilen "I still quite like some of your early stuff" mit den Backgroundvocals "Hey, what's your name?" vereinen, lässt sich die zunehmende Schwermut am Schlafittchen fassen.
Tennant greift auf seine eigenen Erfahrungen und die Floskeln Londoner Taxifahrer zurück. "Meine Auswahl war riesig, denn ich fahre jeden Tag Taxi und werde doch sehr oft erkannt." Einmal wurde er sogar mit Holly Johnson, Sänger von Frankie Goes To Hollywood, verwechselt. "Ja, da war ich fassungslos."
Dem entgegen steht "Ego Music", dass sich ironisch mit der Selbstinszenierung eines jungen, selbstverliebten Pop-Stars auseinandersetzt. "In the sea of negativity / I'm statue of liberty / That's why people love me." Zu verspieltem Elektrogefrickel fällt Tennant in den Sprechgesang der frühen "Please"-Zeiten zurück, von dem ich gerne wieder mal mehr hören würde. Leider köpft ein schrecklich einfältiger Refrain den Song und beraubt ihn so seiner Schärfe.
"Everything Means Something" wächst langsam, aber zügig, mit jedem Hören. Eine verquere und düsterere Vision dessen, was passiert, wenn der entspannte Pop der Pet Shop Boys auf Trip-Hop und Industrial trifft. Mit "Face Like That" springen die beiden Musiker in Begleitung von Blitz, Donner und Retro-Disco-Beats unter ihren "Introspective"-Rettungsschirm. Zügellos bedienen sie sich an ihrer eigenen Vergangenheit in den 1980ern.
Wäre da nur nicht dieses ranzige "Hold On", über das ich immer wieder stolpere. Warum bleibt das Negative immer hartnäckiger in Erinnerung? Dieses barocke "Go West" im Midtempo, das mit Händel spielt, aber dank Chor und einfallslosem Arrangement wie eine schäbige Musical-Nummer klingt, gehört mit zum Schlechtesten, das die Pet Shop Boys bis heute veröffentlicht haben. Wenn die Chorsänger die Durchhalteparolen schließlich auch noch einzeln vortragen, verkommt der Track zu einer jämmerlichen "We Are The World"-Kopie. Ja, sogar mieser als "Nackt Im Wind".
Doch alles wird gut. "There's got to be a future, Or the end will end today." Wenn "Requiem In Denim And Leopardskin" mit dem Beat von "West End Girls" beginnt, Tennants von Glitzerstaub angehauchter Gesang aber kuschelweich und wehmütig in Richtung "Behaviour" abbiegt, verschmilzt das Gestern mit dem Vorgestern zur Gegenwart. "This is our last chance for goodbye / Let the music begin / Shining and souring like a requiem / In denim and leopardskin."
Wieder einmal wird manch ein Kritiker aufgrund dieser Worte das bevorstehende Ende der Pet Shop Boys verkündigen. Nachdem diesen aber mit "Elysium" ein feinfühliges, vor Altersweisheit strotzendes Album gelang, bleibt zu hoffen, dass der Ruhestand der beiden Herren noch lange auf sich warten lässt. "Let the ride just take us / Side by side and make us / See the world through new eyes every day."
Clip:

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