The Staves - If i was


Vor fast zwanzig Jahren gab es eine Fernsehdokumentation zur Entstehung von Stings Album „Mercury Falling“. Man sah den Künstler mit seinem Hund durch die Wälder rund um sein elisabethanisches Landhaus streifen. In einer kleinen Hütte am Fluss, wo nur ein Ofen, Schreibblock und Gitarre warteten, komponierte er die Lieder für das Album. Mittags wurde der ganzen Band an festlicher Tafel vor dem Anwesen Salat serviert, ihre Arbeit ging wie von selbst. Wahrscheinlich war das eine ziemlich beschönigende Vorstellung des Schreib- und Aufnahmeprozesses. Aber sie wirkte: Kann es, dachte man damals, etwas Schöneres geben als Sting zu sein und sich in der kleinen Hütte die Melodien zu „I Was Brought to My Senses“ oder „Let Your Soul Be Your Pilot“ zurechtzusummen?
Wenn man den Kurzfilm zur Entstehung des neuen Albums der Staves anschaut, stellt sich dieses Gefühl wiederum und doch ganz neu ein: Man kann dann eigentlich eigentlich gar nichts anderes mehr wollen, als eine Frauenfolkband aus drei Schwestern zu sein und ein Album im verschneiten Wisconsin aufzunehmen. Wo der Atem vor der Nase gefriert, wo kleine rote Kirschen in kahlen Bäumen hängen, und wo sich Justin Vernon (der Kopf der Independent-Folkband Bon Iver, hier aber als Produzent) an einem Ort mit dem schönen Namen Eau Claire ein wunderschönes hölzernes Tonstudio voller Gitarren eingerichtet hat, in dem man mit seltsam sich reibenden Stimmen Lieder namens „Make it Holy“ einsingt, und danach mit einer Meute von bärtigen Folkster-Männern an einem riesigen Holztisch zu Abend isst. Dann stapft man durch den Schnee, macht Eisblumenlieder und nimmt sie auf, als wäre es nichts.
Überhaupt: Singende Schwestern, und dann gleich drei! Man kannte die zwei Webb Sisters, die oft erst Leonard Cohens Lieder so richtig vollständig machen, man kannte die Watson Twins, die einmal Jenny Lewis eine tolle Platte beschert haben - aber der dreistimmige Gesang von Emily, Jessica und Camilla Staveley-Taylor legt da wirklich noch eine Schippe drauf: Die drei jungen Frauen aus der englischen Grafschaft Hertfordshire haben sich mit ihrem neuen Werk in den Harmoniekosmos von Crosby, Stills & Nash katapultiert, falls diese alten Männer hier einmal als Vorbild genannt werden dürfen.
Ihren Gesang lassen sie in Bon Ivers Hütte manchmal ganz für sich strahlen, oder nur von einem Orgelton unterlegt wie bei „No Me, No You, No More“. Dann aber wird das Trio von der Begleitband auch mit fast schon bombastischen Rock-Grooves traktiert, die nach den frühen Werken des Trios seit 2010 nun eine starke Weiternentwicklung bedeuten: Das vom Titel her unscheinbare „Black and White“ klingt geradezu avantgardistisch. Andere Stücke beginnen sanft wie unbemerkter Neuschnee („Steady“).
Bei „Blood I Bled“ hört man noch den Einfluß der britischen Folkmusik, die im Vergleich zur amerikanischen ja immer etwas mittelaterlich und ornamental klingt; dann aber wieder überrascht das Album mit elektrifiziertem Indie-Rock wie bei „Teeth White“, der sich keineswegs verstecken muss.
Wenn Justin Vernon dann noch erzählt, wie er die drei Schwestern zum familiären Thanksgiving-Fest eingeladen hat und sich gar nicht mehr vorstellen kann, wie es werden soll, wenn sie wieder abreisen, dann ist das vielleicht wieder so ein Sting-Moment, in dem das ganze Musikgeschäft fast zu schön scheint, um wahr zu sein - aber es wirkt tatsächlich ehrlich, und man kann den Abschiedsschmerz gut nachempfinden. Und man hat ja die Musik. (Quelle: FAZ)

Tracklist:
01 – Blood I Bled
02 – Steady
03 – No Me, No You, No More
04 – Let Me Down
05 – Black & White
06 – Damn It All
07 – The Shining
08 – Don’t You Call Me Anymore
09 – Horizons
10 – Teeth White
11 – Make It Holy
12 – Sadness Don’t Own Me

Clip:
Black & White

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