Tiny Moving Part - Swell




Eines scheint sicher: Tiny Moving Parts haben es schwer. Vielleicht machen sie es sich sogar selber schwer, beginnend mit der Entscheidung, es sich im modernen Midwestern-Emo, oder wie auch immer man die Spielart nun exakt bezeichnen will, bequem zu machen. Wo doch genau dort schon eine fast unüberschaubare Anzahl von Bands herumlungert. Das wäre an sich nicht tragisch, nur sind eben diese Bands alle ziemlich gut. Dowsing, Foxing, The Hotelier, Free Throw, Modern Baseball, The World Is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid To Die, die Liste ließe sich auf die länge einer ausführlichen Rezension ausdehnen. Und wo ist jetzt das Problem? Beim Vorschnellen aburteilen von Tiny Moving Parts als eine unter vielen. Genau das hat wahrscheinlich schon den hervorragenden Vorgänger "Celebrate" eine Menge an eigentlich verdienter Aufmerksamkeit gekostet.
Weil Tiny Moving Parts ihr hauseigenes Rezept nicht gravierend verändert, sondern höchstens ein wenig verfeinert haben, droht dieses tragische Schicksal nun gleichermaßen dem mittlerweile vierten Album "Swell". In diesem Sinne: Bevor man Tiny Moving Parts nach kurzem Hinhören als weitere ganz gute Band zwischen den oben genannten verortet, sollte man ein zweites Ohr riskieren. Mindestens. Ach was, man muss sogar. Weil einem – hergehört! – ansonsten schon wieder ein großartiges Album entgeht. Einfach so. Dabei wird es doch schon bald offensichtlich, warum das Trio aus Minnesota so viel mehr ist als ein Name unter vielen. Alles, was die Genreschwestern und -brüder auszeichnet, findet sich gleichsam auf "Swell" wieder. Die von ganzem Herzen eingängigen Melodien, die Leidenschaft im Vortrag, das bei Bedarf kräftige Zupacken. Nur: Bei Tiny Moving Parts geschieht das alles noch eine Spur besser als bei den meisten anderen. Wo sich stellvertetend etwa The Word Is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid To Die in den entscheidenden Momenten immer wieder ein wenig im Ziellosen verrennen, packen Tiny Moving Parts die sich bietenden Gelegenheiten beim Schopf und formulieren ihre Ideen konsequent aus.
Man braucht nur das fulminante Eröffnungsstück "Applause" hören, um zu verstehen, was gemeint ist. Die ansteckende Spielfreude, die stets in alle erdenklichen Richtungen auszubrechen droht, wird dort in Einklang gebracht, mit einer bemerkenswerten Konzentration und Fokussierung im Songwriting. Das ergibt Stücke, die zwar hörbar verspielt daher kommen, die aber zugleich keine Abzweigung um ihrer selbst willen nehmen, sondern jede noch so kleine Note in den Dienst des Songs stellen. Kein kleinteiliger Gitarrenlauf präsentiert sich nur aus reiner Eitelkeit, keine Verschnaufpause wird grundlos eingelegt. Das ist schön und problematisch. Die Highlightsuche, sie wird auf "Swell" nämlich zur Herkulesaufgabe. Weil eine jede dieser zehn Nummern auf schwindelerregend hohem Niveau unterwegs ist. Fündig wird man natürlich trotzdem. "Caution" etwa, das sich vergleichsweise sachte vorstellt, nach und nach an Fahrt gewinnt und sich ein waschechtes Finale aus dem Lehrbuch gönnt. Oder natürlich der über allem thronende Closer "Warm hand splash", der irgendwann einfach ein wenig aus dem Rhythmus purzelt und das Album dann zünftig und mit allem verfügbaren Brimborium beschließt. Vielleicht lässt sich "Swell" nicht beim ersten Versuch in Gänze greifen. Jeden weiteren Anlauf ist das Album aber jederzeit wert. Damit Tiny Moving Parts endlich die verdiente Aufmerksamkeit bekommen.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. Applause
  2. Smooth it out
  3. Feel alive
  4. Caution
  5. Wildfire
  6. Whale watching
  7. It's cold tonight
  8. Malfunction
  9. Wishbone
  10. Warm hand splash
Clip:
Applause

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