The Avalanches - Wildflower



Hach, ja. Das Jahr 2000: Weltuntergang kam doch nicht, Facebook gabs noch nicht und Guetta und Skrillex hatten den elektronischen Markt noch nicht in ein trostlos klebriges Plastik-Moor verwandelt. Stattdessen erschienen ein paar abgedrehte Australier auf der Bildfläche, die aus Abertausenden Vinyl-Cuts mal eben einen Meilenstein der Samplingkunst zusammenflickten und kurz darauf beinahe gänzlich von der Bildfläche verschwanden.
Nach über zehn Jahren leerer Release-Versprechungen schieben The Avalanches nun tatsächlich doch noch "Wildflower" hinterher und kümmern sich zunächst herzlich wenig um den Wandel der elektronischen Musikkultur in den vergangenen 16 Jahren. Stattdessen staubt das Kollektiv die eigentlich längst auf den Dachboden verbannten 1210er ab und agiert getreu dem Motto: "None of this Ableton bullshit, this is punk rock kids!"Ganz ehrlich: Dieser Moment, wenn sich das vertraut noisige Vinyl-Kratzen über das erste Bee Gees-Sample in "Colours" legt, da wird einem vor lauter Authentizität ganz warum ums Analogherz. Vorm Einsatz der funky Pumpbässe steht aber zunächst noch der Eröffnungstrack "Because I'm Me". Der packt, wie schon die nicht unumstrittene Vorabauskopplung "Frankie Sinatra", die überraschende US-Rap-Keule aus."Did you guys get really into Fatboy Slim or something?", fragt ein enttäuschter Fan auf Facebook. Durchaus böse, keine Frage. Aber natürlich wollen The Avalanches mit ihrer charmanten, weil eben nicht zeitgemäßen Produktion nicht gleich die East Coast revolutionieren. Dafür fügen sich die in Zusammenarbeit mit Danny Brown, Camp Lo, MF Doom und Biz Markie entstandenen Rap-Tracks viel zu fluffig ins Gesamtkonzept ein. Solange man großzügig über den tatsächlich trashigen "The Noisy Eater" hinweg sieht. Wer "Frankie Sinatra" für den Untergang des Abendlandes hielt, darf sich gerne an diesen drei Minuten langen Schmatzgeräuschen über einem "Come Together"-Ausschnitt versuchen.Andererseits steht das Beatles-Sample wohl auch exemplarisch für die zweite große Charakteristik von "Wildflower". Denn hinter zahllosen Ecken lauern seichte Psychedelic- und Folk-Momente, die den verzückenden Sommer-Trip gleich noch ein wenig farbenfroher gestalten. Dazu nehmen die verbleibenden Avalanches-Mitglieder Chater, Di Blasi und Dela Cruz dann auch immer häufiger echte Instrumente zur Hand. Tracks wie das mit Flaming Lips-Chef Jonathan Donahue entstandene "Colours" haben im Produktionsprozess tatsächlich keinerlei Sampler zu Gesicht bekommen, und klingen dank Backmasking und Mellotroneinsatz trotzdem nach fehlenden Parts der Beatles-Remixplatte "LOVE".Gerade in der zweiten Hälfte ("Kaleidoscope Lovers", "Stepkids", "Livin' Underwater (Is Somethin' Wild)") erwischt man sich immer wieder beim verträumten Streifen durch die kunterbunt blühenden Strawberry Fields vergangener Jahrzehnte. Songtitel wie "If I Was A Folkstar" (im Shins-artigen Indie-Pop-Gewand) und ein Gastpart von Father John Misty ("Saturday Night Inside Out") sprechen Bände.Wer sich beim Vorgänger allerdings vor allem an tanzbaren Disco-Momenten mit Daft Punk-Touch ("Live At Dominoes") zu laben gedachte, den dürfte "Wildflower" allenfalls im Ansatz erquicken. Vocoder gibt es keine, und die ganzen großen Scratching-Momente wie beim einstigen Überhit "Frontier Psychiatrist" sind seit dem Ausstieg von DJ Dexter Fabay auch Geschichte.
Aber wer hat von The Avalanches eigentlich eine reine "Since I Left You"-Kopie erwartet? Der "Chinese Democracy"-Effekt ist nach 16 Jahren des Wartens natürlich derbe am Start. Heißt: Wer sich als erwachsener Mensch mit der ganzen Muße seines 18-jährigen Fanboy-Ichs auf den Facebook-Pinnwänden dieser Welt auskotzen möchte, der wird auch hier wieder genügend Anhaltspunkte finden. Für alle anderen haben die Anti-Ableton-True-Schooler mit "Wildflower" vor allem eines im Gepäck: eine Platte, die den Sommer rettet.(Quelle:Laut.de)

Tracklist:
01. "The Leaves Were Falling" 0:15
02. "Because I'm Me" (featuring Camp Lo) 4:12
03. "Frankie Sinatra" (featuring Danny Brown & MF Doom) 3:44
04. "Subways" 3:10
05. "Going Home" 2:06
06. "If I Was a Folkstar" (featuring Toro y Moi) 4:33
07. "Colours" (featuring Jonathan Donahue) 3:32
08. "Zap!" 1:58
09. "The Noisy Eater" (featuring Biz Markie & Jean-Michel Bernard) 3:14
10. "Wildflower" 1:14
11. "Harmony" 3:48
12. "Live a Lifetime Love" (featuring Ariel Pink & Paris Pershun) 2:30
13. "Park Music" 0:54
14. "Livin' Underwater (Is Something Wild)" 1:56
15. "The Wozard of Iz" (featuring Danny Brown) 2:59
16. "Over the Turnstiles" 0:41
17. "Sunshine" 3:37
18. "Light Up" 1:34
19. "Kaleidoscope Lovers" 3:55
20. "Stepkids" (featuring Jennifer Herrema & Warren Ellis) 4:32
21. "Saturday Night Inside Out" (featuring Father John Misty & David Berman) 5:07

Clip:

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