Stereophonics - Scream above the sounds




Als Bob Dylan kürzlich in einem seiner seltenen Interviews, das sofort danach auf seiner Homepage zu lesen stand und eher einem Selbstgespräch glich, als er da gefragt wurde, welcher Musik er denn momentan lausche, antwortete er: Stereophonics. Und man mag es sich so vorstellen, dass Dylan ganz typisch diesen Bandnamen krächzt, so rau und heiser, wie viele während der schlimmsten Erkältung nicht klingen, während sich bei dieser walisischen Band ein Gefühl der reinen Erhabenheit einstellt. Stereophonics, geadelt vom Nobelpreisträger, das ist doch was. Und noch ein Grund, warum dieses Jahr ein gutes Jahr für die Band ist: Das 25. Jubiläum steht an, vor 20 Jahren legten sie ihr Debüt "Word gets around" vor und "Scream above the sounds" folgt als mittlerweile zehntes Studioalbum. Ein Jubeljahr als Herrenjahr. Euphorie scheint geboten, schließlich belegten gerade die neueren Stereophonics-Alben die vorderen Ränge der UK-Charts.
"Scream above the sounds" ist das, was eine Gruppe wie Stereophonics recht unbeeindruckt aus dem Lederjackenärmel schüttelt: integrer, grundguter, daher leider auch ein wenig durchschnittlicher Brit-Poprock. Schon auf den letzten Alben war zu hören, wie sich Nuancen im Sound verschieben: Früher war die Band lauter, wilder, auch rockiger, gerade wenn Kelly Jones' vibrierende, aus dem kaputten Zwerchfell gepresste Reibeisenstimme einsetzte. Gequält und doch geil, immer mal wieder eine dicke Lippe riskierend, weil Stereophonics auch mit dem Rockklischee spielten: dicke, dunkle Haartolle, die Fluppe zwischen die Zähne geklemmt, dabei lieber ein Glas Wein zu viel gekippt und den Frauen niemals abgeneigt. Es folgte die leidliche, sowieso schon grassierende U2-isierung, die nicht mal U2 unbeschadet verdauen konnten: mehr Stadionsound durch Weichheit, mehr Kollektivgefühl durch Pathos, obendrein die Singalongs.
Auch daher bleibt eine der besten Stereophonics-Platten überhaupt eine, deren Front kein Bandname ziert: "Only the names have been changed", das Solowerk von Kelly Jones. Er mit Gitarre, puristisch, dabei aber spektakulär, wenn seine Stimme ganz unpeinlich den Rod Stewart macht und bricht, krakeelt, die Töne presst. Ja, kitschig, ja, romantisch und übertrieben, aber ja, auch unmittelbar. "Before anyone knew our name" auf dem neuen Album kommt dem nahe, eine Klavierballade als Ode an den früheren Banddrummer Stuart Cable. Es ist die Geschichte eines Aufbruchs, wie Jones und Cable wenige Häuser voneinander getrennt aufwuchsen, sich der Musik verschrieben, wie sie verrückt waren nach den Beatles, den Rolling Stones: "I miss you, man / Before anyone knew our name / We had the fire, had desire." Jones fragt noch: "What went wrong?", wurde Cable doch vor sieben Jahren tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden.
Ein kurzer, direkter, bitterer Moment. Eine Rarität auf "Scream above the sounds". "Geronimo" stampft durch den elektronischen Synthesizerwald. "Cryin' in your beer" bietet abseits des Standardrocks ein ganz nettes Saxophon, das zuvor schon in "What's all the fuss about?" ein wenig Liebe für Bluesmusik, Flamenco und Experimentelles aufflammen ließ. Sonst: Aus Wales nichts Neues. Außer, wie sich das Konzertpublikum verändert, es jünger wird, wie Jones kürzlich erschrocken erklärte. "Scream above the sounds" soll darum auch eine Platte für die Jüngeren sein, sich in ein urbanes, cooles, farbenfrohes Lebensgefühl einfügen. Wie in "All in one night". Mit sprenkelndem Klavier, schlurfenden Gitarren und Streichern ist es ein Stereophonics-Song von ungewohntem Umfang. Unverkennbar bleibt der röhrende Gesang, gerade live, sonst hätte ein Bruce Springsteen nicht zum Toursupport gebeten. Auf Albumlänge sind Stereophonics jedoch schon länger schwerfällig, mitunter gar monoton. Wir gratulieren trotzdem zum Jubiläum.(Quelle: Plattentests)




Tracklist
01. Caught By The Wind
02. Taken A Tumble
03. What’s All The Fuss About
04. Geronimo
05. All In One Night
06. Chances Are
07. Before Anyone Knew Our Name
08. Would You Believe
09. Cryin’ In Your Beer
10. Boy On A Bike
11. Elevators
12. Never Going Down (Live at RAK Studios)
13. Drive A Thousand Miles (Graffiti Sessions)
14. Breaking Dawn
15. All In One Night (Unplugged)
16. Caught By The Wind (Unplugged)

Clip:

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