Micatone - wish i was here

Was ist in den letzten sieben Jahren nur passiert? Es erschienen drei Alben unter dem Pseudonym Nylon in leicht abweichender Besetzung sowie drei Soloplatten der charismatischen Sängerin Lisa Bassenge, dazu spielen sie weiterhin als Live-Band. Die Musiker legten also keine Schaffenspause ein, sondern eher eine Projektpause, um mit den gesammelten Erfahrungen und Fähigkeiten einen Langspieler zu schaffen, den niemand in dieser Art von Micatone erwartet hätte. So ist der verführerische und unbändige Gesang der Frontfrau inzwischen höchst professionell – sie überzeugt mit einer Stimmpräsenz, die sich sowohl federleicht als auch im emotional-ausdrucksstarken Höhenflug durch den musikalischen Kosmos von Soul, Jazz und Blues bewegt. Bassenge führt mit souverän weiblichen Charme durch die Platte und klingt dabei so überzeugend authentisch, dass in gedankenverlorener Träumerei schnell der Eindruck entsteht, live vor der Bühne zu stehen.
Das liegt vermutlich daran, dass alle Songs im kleinen Neuköllner Hinterhofstudio live eingespielt wurden. Elektronische Nachbearbeitungen, Frickeleien und Samples wurde abermals reduziert, sodass Micatone hier mit organisch-intelligenten Timbre glänzen. Schon mit der letzten Platte verringerten sie die synthetischen Einflüsse, verschrieben sich dem Nu Acoustic Movement und versuchten so den Stil der 90er hinter sich zu lassen. Diesen Weg führten sie stringent fort und präsentieren hier ein Album, dass von Songwriting-Qualitäten, dem natürlichen Klang der Instrumente und eindrucksvollen Gesang lebt. Auch wenn sie für ihren Mix aus Jazz und Club-Sound bekannt wurden, ist es aufgrund ihrer Fähigkeiten, die sie in den letzten Jahren erlangt haben eine nachvollziehbare Entscheidung, sich auf die eigenen Stärken beziehungsweise auf die Titel selbst zu besinnen.
Bereits mit dem Opener setzen Micatone die Latte hoch: Bassenge hüllt sich im souligen, Western-Feeling vermittelnden Sound und flirtet – ausgehend eines Traumes mit angezogener Handbremse durch die Nacht zu fahren – mit Stuart A. Staples, dem Sänger der Tindersticks. Der Hörer wird geradezu in die Situation hineingesogen – als säße er auf dem Beifahrersitz im Cabrio, während sich hinter ihm die beiden mit Champagner und Zigarre vergnügen und die Instrumentierung übernimmt das Steuer, welche Route und Tempo vorgibt. Doch selbst wenn die Führung einmal ausbleiben sollte und der Wagen stehen bleibt, weiß die ausgebildete Sängerin damit umzugehen und glänzt durch Souveränität. Zwar bleibt es bei dem Tête-à-Tête auf der Rücksitzbank – die Tour wird aber fortgesetzt und der Wind bläst einem in Form surfender Gitarren durch die Haare. Gleich einer Zeitmaschine geht es von der rauchigen, Western-Soulnummer über eine 60er-Jahre Kneipe auf den Dancefloor der 70er-Diskofunk-Party zur Jazz-Ballade im feinen Etablissement und wieder zurück.
Wer Micatone noch aus ihren früheren Alben kennt und zu schätzen gelernt hat, wird die Club-Elemente wahrscheinlich vermissen. Doch die Band hat sich entwickelt und die Hülle der elektronischen Nachbearbeitung abgeworfen, um mit klassischer Produktion zu überzeugen. Die Platte lässt über die eingeschlagene Entwicklung keine Zweifel aufkommen. Wie sollte sie auch? Ein eingespieltes Team, welches sich als Liveband versteht, das Unterstützung durch den langjährigen Drummer von Air und den Multiinstrumentalisten Martin Wenk (Calexico, Nada Surf) erhielt, ließ bereits aufhorchen. Das erweiterte Spektrum aus Orgel, Streichern, Harfen, Waldhörnern und in die Jahre gekommene Synthies setzen diesem Kleinod die Krone auf. Das Ergebnis sind elf Songs zwischen Nu-Jazz und Blues, die nur eines sagen möchten: Laissez-faire!(Quelle: Motor-fm)
Tracklist:

01 – Handbrake
02 – Asian Man
03 – Souvenir
04 – Save Me
05 – Break My Heart
06 – Micatone – Dizzy Day
07 – Pearl Diving
08 – Sweet Pain
09 – Just A Boy
10 – Wish I Didn’t Miss You
11 – Gun Dog
12 – Dirty Town

Clip:
Break my heart

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