Grimes - Visions


Die junge Kanadierin Grimes macht seit zwei Jahren kaum beachteten Hexen-House. Auf dem vorläufigen Höhepunkt des Genres in diesem Jahr, gibt sie uns mit ihrer dritten LP "Visions" die Chance, die Bewegung endlich zu begreifen und zu erhalten. (Foto: Tommy Chase Lucas) "Schreiben Sie eine Rezension über Grimes und verzichten Sie auf die folgenden Wörter: Witch House, Drag, Ghosts, Whatever-Step." Das klappt derzeit nur in den wenigsten Musikmagazinen. Jedoch hat die erst 2011 heraufbeschworene Geistermusik gute Chancen das zu werden, was Chillwave vor zwei Jahren darstellte — ein vor Coolness berstender Genrebegriff, den heute kaum mehr einer in den Mund zu nehmen wagt. So ist es ganz gut, dass auf dem derzeitigen Höhepunkt der Bewegung ein Album erscheint, das zu einer Art "Opus Magnum" des noch jungen Genres erklärt werden könnte. Auf einem 6-Meter-Floß — beladen mit Nähmaschinen, lebendigen Hühnern, einigen großen Säcken Kartoffeln — legt Claire Boucher 2009 samt Schulfreund am Ufer des Mississippi ab. Nachdem die Motoren den Geist aufgeben, lassen sich die beiden ganze drei Wochen vom Strom flussabwärts treiben. Am Ende fischt sie die Polizei aus den Gewässern. Das unreife, vor Fantasie sprühende Wesen des Huckleberry Finn, der sich nie entscheiden mag und lieber weiter im Strom treibt, ist auch auf "Visions" deutlich herauszuhören. Oft lässt Claire in mühsamer Detailarbeit Strukturen auferstehen, verschiedene Synthesizer und Beats greifen ineinander und wollen nicht mehr loslassen — nur um den Aufwand im nächsten Moment wieder zunichte zu machen. Grimes – "Oblivion" Was auch immer Hexen-House jetzt bedeuten soll, Claire gibt eine Idee davon, wie das Genre in Zukunft funktionieren könnte. Nicht nur, dass ihre Synthesizer scheinbar auf die Instrumentalisierung klassischer Horrorfilm-Soundtracks aus den 80ern zurückgreifen, auf "Visions" wird gleich das ganze Gefühl der Ghost-Busters-Generation in CD-Form gepresst: latente Riffs, die jede Sekunde umzuschlagen scheinen; Vocals, die sich nicht nur für eine Richtung entscheiden wollen – Grimes macht alles andere als konzeptualisierten Pop. Vielmehr scheinen ihre gespenstischen Songs über die Platte zu spuken, rebellierend gegen alles was geplant und programmatisch scheinen könnte. Clams Casino, Balam Acab und all jene DJs, die man jüngst noch als Witch-House-Pioniere angesehen hätte, haben sich aber nie getraut einen reinen Entwurf von dem Genre zu zeichnen. Denn R&B, Chillwave und Anwandlungen technoider Art ließen den Versuch vom reinen Genre bis dato immer wieder scheitern. Grimes hingegen verlässt sich auf ganz neue, eigene Ideen. Ihre Schluckauf-Gesänge, die irgendwo zwischen Sirenen und Klosterchoral oszillieren, werden von bodenständigen Four-To-The-Floor-Beats getragen, was ihnen umso mehr Freiraum erlaubt. Beim ersten Hören der Platte glaubt man fast, Grimes wüsste nicht so recht etwas mit dem neu errungenen Platz anzufangen. Erst nach mehreren Umdrehungen wird klar, dass in diesen Momenten die eigentliche Stärke der Platte liegt. Als James Blakes gefühlvolle A-Cappella-Balladen zur schönsten Entschleunigung des noch jungen Jahrzehnts erklärt wurde, war die perfekte Verlangsamung vom Pop unserer Zeit irgendwie schon gelungen — Grimes schafft ebensolche offenen Freiräume. Grimes – Genesis Und auch im vorletzten Track "Skin" lässt sie ähnlich wie Blake den Beat immer wieder ein- und aussetzen. Die entstandenen Lücken erzeugen eine vergleichbare Gänsehaut, wie der Sound des jungen Engländers. Nur im Gegensatz zu Blake scheint es bisweilen, als würden Claires Geister unhörbar in diese Zwischenräume treten und den ganzen Genrehype endlich greifbar machen. Auf "Visions" sollte man sich in Zukunft beziehen, spricht man weiterhin von Bewegungen, wie Witch House und Drag. (Quelle: Motor.de)

Tracklist:
01. Infinite Love Without Fulfilment
02. Genesis
03. Oblivion
04. Eight
05. Circumambient
06. Vowels = Space And Time
07. Visiting Statue
08. Be A Body
09. Colour Of Moonlight (Antiochus) (feat. Doldrums)
10. Symphonia IX (My Wait Is U)
11. Nightmusic (feat. Majical Clouds)
12. Skin
13. Know The Way

Clip:
Grimes ft. Deniro Farrar -“Genesis” (Ryan Hemsworth Remix)

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