Nine Inch Nails - Hesitation Marks

 
Trent Reznor war es, den die verstörten Jugendlichen in ihren zerrissenen Kapuzenpullovern vergötterten: Mit seinem Solo-Projekt Nine Inch Nails hat er seit den späten Achtzigern einer ganzen Generation den Soundtrack für ein Leben am Abgrund geliefert. In seinen Armen fühlten sie sich heimisch, irgendwo zwischen den Rasiermesser-Kratern und den Spritzen-Einstichen von „Mr. Self Destruct“. Doch 2013 ist nicht 1994 und „Hesitation Marks“ (2013, Universal) nicht der Klassiker „The Downward Spiral“. Und Trent Reznor? Aus dem ausgemergelten Enfant terrible ist ein etablierter Künstler im Steroid-Format geworden.
Spätestens mit dem Oscar für den Filmsoundtrack zur Abrechnung mit Mark Zuckerbergs „The Social Network“ ist es passiert: Reznor ist aus seinem Schattendasein voll Wut und Unangepasstheit in das grelle Scheinwerferlicht Hollywoods getreten und hat sich verändert. Er ist Familienvater, clean und hat überlebt. Heute ist er 48 und blickt auf seine bewegte Vergangenheit zurück. Fünf Jahre hat es gedauert, bis die Fans ein neues Studio-Album des Industrial-Meisters bekommen.
Ein bisschen nervös beginnt „Hesitation Marks“: Poppige Beats, angedeutete 8-Bit-Melodien, ein fast sanfter Reznor, das NIN-Prinzip funktioniert sofort. Die Marschrichtung wird mit „Copy of A“ vorgegeben: „I’m the copy of a copy of a copy“ heißt es erstaunlich selbstreflexiv und dann fast ironisch: „I’m just a shadow of a shadow of a shadow“. Der industrielle Pop-Sound plätschert so vor sich, interessiert vor allem wegen seiner rhythmischen Spielereien, sonst passiert wenig.
Erst im fünften Song mündet das Album in eine sehr eigene Interpretation des Funk, „All Time Low“ zieht den Stöpsel und plötzlich nimmt „Hesitation Marks“ an Fahrt auf. Richtig lärmig wird es im punkigen „Everything“, das wohlig an die NIN-Frühphase erinnert, während „Satellite“ auch auf einem der neueren „Chemical Brothers“-Alben Platz finden würde. Innovation? Kaum, muss aber auch nicht.
Wie Panoramen baut Reznor seine Soundwände auf, die seine Fans lieben. Er schielt dabei sicherlich auch auf den Club-Sound der Gegenwart, doch allzu oft nimmt er sich zurück, setzt auf pointiertes Songwriting und entflieht so der Konvention. Trotz Oscar und Familienglück: Reznor kann es noch. Der ehemalige Brüllaffe ist zwar endgültig ruhiger geworden, aber gezähmt ist er nicht.(Quelle: Focus)

Tracklist:
1. The Eater of Dreams
2. Cop of A
3. Came Back Haunted
4. Find My Way
5. All Time Low
6. Disappointed
7. Everything
8. Satellite
9. Various Methods of Escape
10. Running
11. I Would for You
12. In Two
13. While I'm Still Here
14. Black Noise

Clip:

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