Animal Collective – Painting With




Dinge vor allem deswegen positiv zu bewerten, weil sie von der Mehrheit der Menschen als abstoßend, doof oder öde angesehen werden, gehört zum traditionellen Kanon popkultureller Distinktionsstrategien; das Spektrum reicht vom euphorischen Lob schlecht frisierter Fantasieteufel bis zum begeisterten Bekenntnis zur Fix-und-Foxi-Lektüre.

Ein Sonderbereich der musikalischen Geschmacksprovokation ist das wohlwollende Besingen öder Orte, denken wir an "Nichts ist so schön wie der Mond über Wanne-Eickel" von Friedel Hensch und den Cyprys oder an Thees Uhlmanns Hymne auf sein Heimatdorf Hemmoor. "Floridada" heißt nun wiederum das Eröffnungslied von "Painting With", dem neuen Album von Animal Collective.
Darin wendet sich das wieder zum Terzett geschrumpfte Kollektiv hyperaktiver Nordostamerikaner gegen den unter geschmacksbegabten Menschen generell verbreiteten Floridahass. In einem anspielungsreichen Wortschwall wird der tödlich triste Reiche-Rentner-Staat am südöstlichen Zipfel der USA zu einer Utopie multikulturellen Miteinanders umgedeutet sowie in Zusammenhang mit der vor 100 Jahren in Zürich gegründeten Dada-Avantgarde gebracht. In dem dazugehörigen Video sieht man ein unbehaartes, heterosexuelles Avatarpaar bei der Kopulation und der anschließenden Geburt eines messianisch wirkenden Avatarbabys; wodurch Florida in allerdings überaus scheußlichen Farben in den Mittelpunkt des Universums gerückt wird.
Die verbreitete Häme über den Staat sei ihnen schon deswegen unerträglich - erläutern die Kollektiv-Mitglieder Avey Tare, Panda Bear und Geologist die unter dieser Ästhetik waltende Motivation -, weil sie als Kinder mit ihren Eltern dorthin oft und gerne in Urlaub gefahren seien. Dass sie den floridatypischen "state of mind" nun in rasend sich umrankenden Chören beschwören, kann man ebenfalls als provokante Entscheidung betrachten, geriet männliches Chorsingen in den vergangenen Jahren doch durch folkbiedermeierliche Schrottvogelgruppen wie Mumford and Sons in starken Verruf. Allerdings kombinieren diese ihren Gesang auch nicht mit tribalistischem Getrommel und ochsenfroschartig quakenden Modularsynthesizern.
Anders als Animal Collective, die in sämtlichen zwölf neuen Liedern auf "Painting With" eine gute Balance zwischen schrulligen Tönen und doppelhelixhaften Vokalharmonien, zwischen klanglicher Krispheit und lyrisch verpeiltem Symbolgewuschel zu erringen verstehen. Auf die sämigen Hall- und Echo-Effekte, die lange Zeit zum Klangkern der Gruppe zählten, haben sie dabei vollständig verzichtet. Mit "Painting With" sind Animal Collective vielmehr in die Phase eines flexibel-provokanten Post-Halls getreten. (Quelle: Spiegel.online)


Tracklist:
01 – FloriDada
02 – Hocus Pocus
03 – Vertical
04 – Lying in the Grass
05 – The Burglars
06 – Natural Selection
07 – Bagels in Kiev
08 – On Delay
09 – Spilling Guts
10 – Summing the Wretch
11 – Golden Gal
12 – Recycling


Clip:
http://www.clipfish.de/musikvideos/video/4284453/animal-collective-floridada/

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