Rag'n'Bone Man - Human



Fun fact: Als Liquido Anfang 1999 ihr Debütalbum veröffentlichten, versteckten sie ihren Düdel-Hit "Narcotic" aus dem vorigen Jahr hinter einem sehr obskuren Cover – und auf Position sieben in der Tracklist. Möglich, dass man nicht immer nur auf den einen Song reduziert werden will, aber da es auf der Platte sonst nicht viel zu holen gab, war das vielleicht ein wenig überambitioniert. Nun ist der Engländer Rory Graham alias Rag'n'Bone Man sicher drei Mal talentierter als alle Nasen von Liquido zusammen und "Human" im Vergleich zu "Narcotic" eine Offenbarung. Aber auch Graham musste sich Gedanken machen, in welcher Form er nach dem Mega-Erfolg der Single sein erstes Album präsentiert. Er geht den entgegensgesetzten Weg: Nicht nur heißt die Platte ebenfalls "Human", der Titeltrack darf zudem gleich als Opener ran. Hat Rag'n'Bone Man also nichts mehr in der Hinterhand? Achtung vor voreiligen Schlüssen.
Ganz frei heraus: Am Ende ist "Human" durchaus der beste Song aus diesem Dutzend. Wie seltsam das war, seinen schwer atmenden Groove das erste Mal im Radio zu hören. Und sich unwissend zu wundern, ob das Algiers sind, die nun tatsächlich den Durchbruch geschafft haben. Der Sound von Rag'n'Bone Man ist eine Anomalie in den Charts, auch wenn er sich aus bekannten Zutaten zusammensetzt. Handclaps, verhuschte Reverb-Stimmen, stampfender Beat – nicht ungewöhnlich. Doch es ist eine Gravität und Abseitigkeit mit im Spiel, die sich trotz der beiden wahnsinnig eingängigen Hooks innerhalb des Tracks nicht verleugnen lässt. Das Album folgt in diesen Fußstapfen, ohne die Single platt zu kopieren. "Human" ist als nachgereichte Visitenkarte eine erfreuliche Erscheinung und entspricht den Erwartungen voll und ganz.
Rag'n'Bone Man macht Rhythm'n'Blues im ganz wörtlichen Sinne: Trottende Beats stellen das Fundament dar und verweisen auf die HipHop-Wurzeln des 32-Jährigen. Der Fokus liegt jedoch ganz klar auf der blueslastigen Stimmung dieser erdigen, schweren Kompositionen, auch wenn Graham zumindest ein einziges Mal in "Ego" tatsächlich sehr überraschend anfängt zu rappen. Das macht er solide, stellt aber anderweitig seine voluminöse Singstimme passender in die Dienste der Stücke. Das überzeugt vor allem in einer reduzierten Ballade wie "Love you any less", bei der Graham selbst mehr Dramatik erzeugt als die Streicher und das Klavier. Selbst Adele dürfte hier anerkennend nicken. Auch der die reguläre Version abschließende A-cappella-Track "Die easy" lässt in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig.
Vor allem in den ersten sechs Songs schafft Graham mühelos den Spagat zwischen unglaublicher Eingängigkeit und songwriterischer Tiefe, abgerundet durch geschmackvolle Details wie das verschmitzt klimpernde Piano und den kratzigen Beat von "Be the man" oder den kurzen Falsett-Ausflug im Refrain von "Bitter end". Und doch klingt es zu hart, die zweite Hälfte als schwächer zu bezeichnen, denn ein Ausfall lässt sich hier ebenfalls weit und breit nicht finden. Vielleicht ist es nur die geringere Ausgefeiltheit der Tracks gegen Ende, welche einen leicht windschiefen Eindruck ob der Highlight-Verteilung entstehen lässt. Womit wir wieder beim Ausgangsthema wären – das Motto "best foot forward" hält Rag'n'Bone Man durchaus ein. Trotz des Schattens, den "Human" über das entsprechend benannte Album wirft, besitzen die übrigen Songs jedoch genügend eigene Strahlkraft, damit der kräftige Hüne auf eine lange Karriere hoffen kann. Länger als die einer Sinsheimer Rockband mit Sicherheit. (Quelle: Plattentests)


Tracklist:
01. Human
02. Innocent Man
03. Skin
04. Bitter End
05. Be The Man
06. Love You Any Less
07. Odetta
08. Grace
09. Ego
10. Arrow
11. As You Are
12. Die Easy
13. The Fire
14. Fade To Nothing
15. Life In Her Yet
16. Your Way or the Rope
17. Lay My Body Down
18. Wolves
19. Healed


Clip:
Human

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