Wye Oak - The Louder I Call, the Faster It Runs




Wye Oak haben kein Problem damit, ihre Fans vor den Kopf zu stoßen. Drei Alben haben sie gebraucht, um sich mit "Civilian" schließlich als Band zu etablieren, die wie kaum eine zweite zuckersüßen Pop mit krachenden Noise-Gitarren untergräbt, nur um mit dem direkten Nachfolger "Shriek" alles wieder einzureißen. Besagter Saitenlärm war auf jenem nämlich gänzlich verschwunden, stattdessen gab es quietschbunte Synthies, die die Anhängerschaft im besten Fall verwundert und im schlimmsten komplett vergrault haben. Ein Jammer, einerseits, weil "Shriek" losgelöst von Erwartungshaltungen einfach ein bestechend gutes Elektropop-Album war, andererseits, da so manch einer jetzt nicht mehr mitbekommt, dass "The louder I call, the faster it runs" wieder ein paar Schritte zurückwagt. Ja, man hört Jenn Wasner wieder an, dass sie beim Singen meistens eine Gitarre umgeschnallt hat, und ja, er ist auch wieder da, der so schmerzlich vermisste, verzerrte Krach – doch ganz so leicht machen es Wasner und Andy Stack an Drums und Keyboard ihrer Hörerschaft dann doch nicht.
Das in Baltimore gegründete Duo benannte sich nach einem Wahrzeichen ihres Heimatstaats Maryland, einer mächtigen, fast 500 Jahre altgewordenen Eiche. Doch das Bild eines solch standhaften Monuments der Ruhe und Erhabenheit ist ungefähr das Letzte, was einem bei der Musik seiner Namensvetter in den Sinn kommt. Nach einem kurzen Intro explodiert "The instrument" aus den Boxen, Gitarre, Keyboard und Schlagzeug zappeln nervös um die Wette, während die Vocals im Kontrast dazu fast schon sehnsuchtsvoll klingen. Wye Oak als extrovertiertere, profanere Version ihrer Quasi-Nachbarn Beach House zu bezeichnen, wäre zwar nicht nur wegen der stimmlichen Ähnlichkeit zwischen Wasner und Victoria Legrand naheliegend, würde ihnen aber nicht gerecht werden. Kaum ein anderes Duo arrangiert gleichermaßen so druckvoll wie nuanciert, kombiniert mitreißende Pop-Melodien mit kontrollierten Lärm-Ausbrüchen und schafft es dabei, trotz immer noch sehr präsenter Elektronik – Verzeihung, liebe "Shriek"-Aussteiger – ungemein organisch zu klingen. Am eindrucksvollsten und besten zeigt sich das im famosen Titeltrack, Drums und Synths treiben unentwegt nach vorne, im Refrain gibt sich eine verspielte St.-Vincent-Gitarre als Wasners Duettpartnerin aus und der Noise am Ende ist genau deshalb so großartig, weil er sich der tighten Struktur des Songs unterordnet und nicht aus ihr herausreißt.
"It was not natural" ist Wye Oaks Definition eines eingängigen Elektropop-Hits, während sich die Feedback-Gitarren von "Say hello" kurz vor Yo La Tengo und Dinosaur Jr. verbeugen, bevor sie dem wohl umwerfendsten Refrain der Platte die Tür öffnen. Auch in den lauteren, direkteren Stücken schwingt immer eine gewisse Melancholie mit, die Wasner und Stack an anderer Stelle noch stärker ausformulieren. In "Lifer" etwa, dessen Ausbruch kurz vorm letzten Drittel so intensiv einschlägt, weil die zwei Minuten davor so wunderbar zart und verträumt durch die Gegend gehuscht sind. Oder in "You of all people", in dem Wasner plötzlich ganz zerbrechlich klingt – es ist sicherlich kein Zufall, dass die allerersten gesungenen Zeilen von "The louder I call, the faster it runs" so lauten wie sie lauten: "Suffering, I remember suffering." Wye Oak können nicht nur tiefenstrukturierte Soundschichten, sie schaffen ähnliches auch auf emotionaler Ebene. Zwar nicht mit der Intensität des anderen, erwähnten Baltimore-Duos, aber dafür mit einer guten Portion mehr Drive und Pop-Appeal. Zumindest für den Moment. Bei diesem rücksichtslosen Umgang mit Fan-Erwartungen seitens der Band ist ein Slowcore-Album mit Akustikgitarren und Streichern als Nachfolger sicherlich nicht auszuschließen.(Quelle:Plattentests)


Tracklist:
01. (tuning) 00:36
02. The Instrument 03:21
03. The Louder I Call, the Faster It Runs 04:23
04. Lifer 03:31
05. It Was Not Natural 04:05
06. Symmetry 04:06
07. My Signal 01:36
08. Say Hello 03:43
09. Over and Over 02:54
10. You of All People 03:54
11. Join 02:55
12. I Know Its Real 03:19


Clip:
The Louder I Call, The Faster It Runs

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