Russian Circles - Empros

Manchmal scheint diese Platte fast zu schreien. Ganz weit hinten, begraben unter Schichten aus cleanen und verzerrten Gitarren, aus wummernden und knarzenden Bässen, stoischen Midtempo-Rhythmen und Beckengeschepper bilden sich dann Töne, die einer Stimme ähneln, ohne eine zu sein. Worte sind nicht auszumachen, eher befreiende Seufzer oder der Schrei eines sich aus uralten Fesseln befreienden Titanen. Real ist davon fast nichts, denn Russian Circles sind und bleiben eine Instrumentalband. Zu der Sinnestäuschung kommt es nur, weil die Band ihre selbstauferlegte Zurückhaltung zur Hölle schickt und auf "Empros" so entfesselt wie nie zuvor aufspielt.

Das vierte Russian-Circles-Album ist zweifellos ihr härtestes. Riffdichte und Umhau-Faktor sind wesentlich näher an Karma To Burn als an Postrock-Bands wie Red Sparowes oder dem Mathrock Don Caballeros. Nicht, dass Russian Circles plötzlich Stonerrock spielen würden, aber "Empros" bläst dem Hörer auf jeden Fall fünfmal die Ohren frei. Das fängt mit dem famosen Opener "309" an, dessen Gitarrenwände sich urplötzlich in einem einzigen Akkord auflösen, der sofort von einem fies knarzenden Bass aufgefressen wird. Ohne Ruhepausen sägt und hämmert sich der Song über knapp neun Minuten durch alle verfügbaren Eingeweide. Nach drei Minuten zieht unter fiependem Reverb die Geschwindigkeit an, und ab drei Minuten vor Schluss bläst der untergrundigste aller Doom-Bässe die letzte Kerze aus.
Da ist es kaum verwunderlich, dass auch die vermeintlich ruhigeren Stücke allesamt ihre Vorsicht irgendwann aufgeben und sich dem Lärm hingeben. "Mlàdek" fängt eigentlich recht poppig und melodiös an, schwenkt dann aber in ein leicht disharmonisches Riff um und verfängt sich am Ende in einem artilleriemäßigen Schlagzeuginferno. "Batu" ist grollender Doom von der ersten bis zur letzten Note, dessen mäandernde Gitarrenfiguren sich abwechselnd über einen minimalistischen Schleichrhythmus und derbe Noiseattacken legen.Die überwältigende Wirkung von "Empros" ergibt sich allerdings nicht zuletzt aus dem codahaften Schlussstück "Praise be man", das als äußerst wirkungsvoller Kontrapunkt fungiert. Denn hier endlich zügelt sich die Band wieder, lässt die Musik atmen. Über cleanen Zupfgitarren ertönt gar richtiger Gesang, als ob er sich nun zum ersten Mal artikulieren kann nach erfolgreichem Kampf gegen die fünf Ungetüme, die diese Platte beherrschen. Und wenn dann eineinhalb Minuten vor dem endgültigen Ende final noch einmal der knarzende Doom-Bass seinen Einsatz hat, klingt er fast warm und behaglich. Entfesselt von ihrer Bestimmung, schaffen Russian Circles selbst das. Nicht nur laut ist leise, sondern stumm ist ohrenbetäubend: Edvard Munch wäre stolz auf sie.(Quelle: Plattentests)

Tracklist:
1. 309

2. Mládek
3. Schiphol
4. Attackla
5. Batu
6. Praise Be Man

Clip:
Mladek

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