Alex Clare - Tail Of Lions



Manche Leute treten einfach nie aus dem eigenen Schatten heraus. Man mag meinen, das liege ja oft an ewiggestrigen Fans, die nicht besseres zu tun haben, als alten Meisterwerken hinterherzutrauern. Aber oft sind die Verfasser selbst mindestens mitschuldig. Wenn beispielsweise stilistische Irrwege beschritten werden. Wir erinnern uns an Rock-Heroen wie Chris Cornell oder Daniel Johns, die einen auf hippen Pop machen. Oder wenn man wie dereinst Plattentests.de-Chef Armin Linder einfach ein solch ikonisches Frühwerk geschaffen hat, dass jeglicher Vergleich nur verloren geht. Man kann es jedoch auch so vermasseln wie der Londoner Alex Clare. Sein Dubstep-meets-Soul-Hit "Too close" wurde medial und werbetechnisch dermaßen ausgeschlachtet, dass wohl 99 Prozent der Leute keinen weiteren Song von ihm kennen dürften. Und überrascht sein müssten, dass Clare nun zwischenzeitlich schon das dritte Album veröffentlicht.
Klar, dass auch über "Tail of lions" der Schatten "Too close" hängt. Und der Opener "Tell me what you need" seine Sache als Einheizer zwar außerordentlich gut macht, aber letztlich die alte Erfolgsformel – souligere Strophe, dicke Beats im Refrain – kaum variiert. Es bleibt nicht der einzige Quasi-Klon, mehrfach stützt sich Clare auf sein Schema F, mit geringerem Erfolg als auf dem Debüt "The lateness of the hour" und dem ohnehin bereits untergegangenen Nachfolger "Three hearts". Dabei ist handwerklich kaum etwas auszusetzen: Viele clevere Details sind in den Songs untergebracht und man glaubt immer wieder, zaghafte Schritte in Richtung Weiterentwicklung und Variation zu spüren. Das Bassknarzen in "Get real" zum Beispiel oder die ominösen Synthies in "Basic". Es reicht aber nicht, um die Stücke aus dem Sumpf des Standards zu ziehen, der einige Kompositionen fest im Griff hat.
Dabei kann es der 31-Jährige doch prinzipiell noch. Wenn die Songs weniger dudeln und mehr zupacken, schälen sich auch echte Highlights aus der Hülle heraus. Das langsamer gestaltete "Bring me down" hat eine sehnsuchtsvolle Gitarre zu bieten, die auf melancholische Background-Vocals trifft. Die zum Ende hin sehr energisch werdende Percussion bringt schließlich den entscheidenden Schuss Dynamik herein – der anderswo schmerzlich vermisst wird. In "Open my eyes" wird es sogar regelrecht lärmig, Clare schwingt die Gitarre und steigert sich in Rage: "I would open my eyes / If I thought it would do some good." Der Bass grummelt dazu, die Drums spielen Ping-Pong zwischen den Ohren. Zugegeben: Airplay für die große Masse wird solch ein querschießender Track nicht bekommen. Er zeigt allerdings, zu was Alex Clare eigentlich fähig war und noch immer ist. Auf "Tail of lions" fehlen in dieser Hinsicht aber leider ein paar Mitstreiter. (Quelle: Plattentests)


Tracklist:
01. Alex Clare – Tell Me What You Need (3:17)
02. Alex Clare – Get Real (3:00)
03. Alex Clare – Surviving Aint Living (3:20)
04. Alex Clare – Bring Me Down (3:38)
05. Alex Clare – Basic (3:15)
06. Alex Clare – Gotta Get Up (3:19)
07. Alex Clare – Tired From The Fire (4:40)
08. Alex Clare – Love Can Heal (3:36)
09. Alex Clare – Open My Eyes (4:05)
10. Alex Clare – Youll Be Fine (3:36)


Clip:
Tell me what you need

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