Kool Savas - Essahdamus


"Essahdamus" empfängt mit den "Anekdoten aus Istanbul 2", in denen der Großvater auf Türkisch von der Flucht des kleinen Savas aus seinem Heimatland erzählt. Die Fortsetzung der Anekdoten seiner Großmutter aus dem letzten Soloalbum "Märtyrer" unterstreicht das zauberhaft-nostalgische Cover. Der Auftakt geht nahtlos in "Surrender" über und drückt kräftig aufs Gaspedal. Fliegende Metaphern, Doubletime, eine wunderbare Gesangshook und ein passendes Kanye West-Audiosample aus einem Jimmy Kimmel Interview erstaunen gleich zu Beginn.
Leider stößt "Baby Ich Bin Ein Rapper" die Zuhörer jetzt schon gehörig vor den Kopf. Der süßliche Beat und die cheesy Hook jaulen ins Ohr, und gleich mit ihrem ersten Auftritt zerstört Karen Firlej den Alltime-Classic "Rapper's Delight" der Sugarhill Gang auf widerlichste Art und Weise. Das tut verdammt weh!
An dieser Stelle springen zwei Attribute ins Auge, die auf diesem Mixtape ihr Unwesen treiben: zum einen Savas' Hang zu cheesy Hooks und zum anderen Karen Firlej, die auf sage und schreibe 9 von 18 Tracks vertreten ist und fast nie zum Gesamtkontext passt. Warum sich die ehemalige The Voice Of Germany-Kandidatin dermaßen im Game breitmacht und schon bei Sillas letztem Output beinahe Überhand nahm, bleibt unerklärlich. Selbst "Essahdamus" hat dafür keine Antwort parat.
Adesse trällert seine Hook in "Triumph" und schmalzt den Song voll: "Sie wollen den Thron haben, guck, ich weiß, jeder wäre gern die Eins, oh-oh-oh / Und sitzen sie darin, merken sie ganz schnell: sie sind dafür zu klein, oh-oh-oh." Firlej schmachtet in "Auge" ein ganzes Wort und pachtet die Cheesyness für sich ganz allein, in "Candyman" säuselt sie die Vocal-Backups und im Interlude "Auf Euch Gehört" spricht sie zusammen mit Remoe brutalst pathetisch. Den Vogel schießt sie in "Steinzeit" ab mit folgenden grenzdebilen Worten: "Sie lassen sich ficken / Rein, raus, rein, raus, rein, raus."
Damit hat sie eindeutig den Nate Dogg Deutschlands Moe Mitchell abgelöst als neue Hook-Hoe. Besagter Mitchell findet sich tatsächlich auch auf "Essahdamus" und hat was für einen Part? Quelle surprise – die Hook! In "Ernst gemeint" spendiert ihm Essah ganze fünf Zeilen. Das ist ziemlich traurig für seine Verhältnisse.
Ein einziges Mal setzt Karen Firlej ihre 08/15-Singsang-Stimme gewinnbringend ein, in "Essah, Essah". Der rundeste Track des Albums berührt einen ungemein durch Savas' sehr persönliche Texte und einen melancholischen Beat. Das Intro erinnert an Studio Ghibli-Animes mit einer wehmütig-verträumten Pianomelodie. Herr Yurderi selbst twitterte im Vorfeld, dass "Essah, Essah" sein bester Song jemals sei. Dies ist sicherlich Geschmackssache, aber ein wunderbarer Abschluss für dieses Mixtape bedeutet es allemal.
Die Beats ernüchtern bis auf wenige Ausnahmen mit standardisiertem Bumbum-Tschack, das zuweilen mit Klavier und Synthies aufgehübscht ist. Gerade von Workaholic Abaz hätte man mehr erwarten können, doch schoss er vermutlich auf Afrobs "Mutterschiff" sein Magazin leer.
"Rapper Wie Du" ragt am offensichtlichsten heraus, nicht nur wegen seiner Länge, sondern auch weil sich Essahs alte Rapcrew M.O.R. ein Stelldichein gibt. Acht Rapper tummeln sich auf dem dezenten Beat von DJ Smoove, der den Protagonisten genügend Platz für Lyrics lässt. Fast jeder Rapper glänzt mit seinem eigenen Stil und gestaltet den Track sehr abwechslungsreich. Hervorzuheben sind:
Taktloss als aberwitzig-verrückter Bösewicht, der einem den kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Big Derill Mack mit seiner tiefen Stimme und pointierten Punchlines ("Ja, der Mac ist am Start, bring' dein Album nicht raus / Steck's dir doch einfach direkt in den Arsch / Mich zu dissen war ein mega Fehler / doch ich guck' unbeeindruckt so wie Peter Zwegat"). Jack Orson mit vielen Klo-Metaphern und lustigen Vergleichen ("Es ist die gleiche Scheiße, bloß in eine andere Toilette / ... / Ich herrsche über das Wetter mit Donner und mit Blitzen / Find' mich auf Klo scheißen / aber das tu' ich nicht im Sitzen") und Illo, dessen Vortrag und Intonation an einen Poetry Slam erinnern.
Nach solch einem interessanten Posse-Song freut man sich auf die heimlichen Feature-Gäste. An drei Stellen treten plötzlich Rapper auf und liefern einen bärenstarken Part ab. Montez in "Auge" leistet einen lässigen Nachtrag und Cr7z flext bei "Steinzeit" in Highspeed-Doubletime alles und jeden nieder. Audio88 & Yassin jedoch zerbersten das komplette Mixtape en passant und stehlen King Essah die Show in "Ich Bin Fertig".
"Sneakers & Heels" bezaubert als völlig bekloppte Ode an den Fußfetischismus, umgeben von einem hervorragenden R'n'B-Beat mit Fingersnaps und einem schmalzigen E-Gitarren-Solo. Insbesondere Samson Jones, ehemals Jonesmann, rappt zwar exakt wie vor zehn Jahren, croont am Ende seines Parts aber in bester Usher-Manier herrlich überzogen: "Es sind die Dinger, auf denen du stehst / Reebok's, in denen du gehst / Ziehe die Schlappen aus und wink für mich / Ich bin down, wenn die Größe stimmt, yeah."
Den absurdesten Savas-Track seiner Geschichte komponiert er mit "Candyman". Im Interview mit hiphop.de erläutert er, dass 'Candyman' völlig untypisch und albern sei, weil er einen reinen Country-Popsong darstelle. Nun, das ist er tatsächlich, besitzt aber einen eigenwilligen Charme. Savas singt überraschend gut und dafür, dass er extrem konsequent produziert ist, verliert er beinahe seinen eigentlichen Witz.
Der Savas von 2002 hatte den Vibe und den Swag: man konnte ihn fühlen. Danach zeigte er immer noch einen sauberen Flow und wirkte aggressiv, doch blieb davon nicht mehr viel hängen. An was erinnert man sich von den Alben "Aura" und "Märtyrer" außer an die Hitsingles "Aura" und "Matrix"? Ist Kool Savas heute noch der 'King Of Rap'? Der Titel scheint doch eher ein nostalgisches Relikt vergangener Tage zu sein. Es gibt zudem nicht mehr diesen einen Rap, sondern viele Rap-Subgenres - wie soll man da einen König wählen? (Quelle: Laut.de)

Tracklist:
01. Anekdoten aus Istanbul 2
02. Surrender (feat. Polina)
03. Baby ich bin ein Rapper (feat. KC Rebell)
04. Ich bin fertig
05. Triumph (feat. Sido, Azad & Adesse)
06. Essahdamus
07. Holy Skit
08. Rapper wie Du (feat. MOR)
09. Auge
10. Ernst gemeint (feat. Olli Banjo, PA Sports & Moe Mitchell)
11. Steinzeit (feat. Laas Unltd. & Karen Firlej)
12. Sneakers & Heels (feat. Milonair, Samson Jones & Remoe)
13. On & On (feat. PA Sports, Gentleman & Vega)
14. Wahre Liebe (feat. Samy Deluxe & R.A. The Rugged Man)
15. Candyman
16. Luftschlösser (feat. Abaz)
17. Auf Euch gehört (Interlude) [feat. Karen Firlej & Remoe]
18. Essah, Essah (feat. Karen Firlej)

Clip:

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