Little Dragon - Season High




Blick in den Maschinenraum: Nicht jeder Künstler, der ein Album veröffentlicht, wird hierzuseits auch mit einer Rezension gewürdigt. Klar, das ginge alleine aufgrund der Kapazitäten nicht, schließlich hat man als Plattentests.de-Autor noch viele weitere Verpflichtungen. Wie zum Beispiel: Stehempfänge mit den oberen Zehntausend des Musik-Business, den schwedischen Austauschpraktikantinnen die Annehmlichkeiten des redaktionsinternen Spa-Bereichs schmackhaft machen oder abends mit missmutiger Mine auf Konzerten rumlungern. So kommt es letztlich zu munteren Diskussionen, ob dieser oder jener Künstler für uns zum Pflichtprogramm gehört. Bei den schwedischen (ha!) Pop-Akrobaten von Little Dragon war man sich dereinst nicht ganz einig, bis ein Blick auf die Erfolge der Band auch den kritischen Chef Armin L. aus M. überzeugen konnte: Grammy-Nominierung 2015, hohe Platzierungen in sämtlichen Charts rund um den Globus, Kollaborationen mit Gorillaz, De La Soul, Big Boi, Killer Mike, SBTRKT und Konsorten. Heißt für uns: Album muss besprochen werden. Hier. Jetzt. Und sofort. Voilà .
Dabei haben uns Little Dragon auch schon früher verzückt: Der Vorvorgänger "Ritual union" von 2011 präsentierte ein fiebrig-heißes Pop-Potpourri mit genresprengenden Ideen und brillanten Melodien, das nur knapp am "Album der Woche"-Titel vorbeischrammte. Das drei Jahre später erschienene "Nabuma rubberband" entwickelte diesen Sound weiter, schob ihn behutsam in Richtung Mainstream und überzeugte – wenn schon nicht vollumfänglich – dann doch immerhin noch zu großen Teilen. Mit der fünften Platte "Season high" verkaufen Little Dragon nun ihr süßes Lächeln und möchten eher ein nachtsüchtiger Vamp sein, der auf der Tanzfläche mit lasziven Melodien für durchschwitzte Leibchen und durstige Kehlen sorgt. Die Göteborger integrieren vermehrt 90s-infizierten R'n'B in ihren referenzfreudigen Spektral-Pop, lassen im Opener "Celebrate" sogar eine expressiv gniedelnde Gitarre ihre Runden drehen und funkeln sich damit in freudigste Ekstase. Aber natürlich darf auch smooth geschmust werden, wie beispielsweise in der gelungenen Single "High". Oder wie im grenzwertig in die Tonhöhen Mariah Careys vorstoßenden "Don't cry".
Davor, danach und dazwischen fackeln Frontfrau Yukimi Nagano und Co. ein buntes Feuerwerk zwischen Lavalampen-Soul und pluckerndem Gameboy-Pop ab, dass es dem Hörer beinahe schwindelig werden kann. Mal schubsen sich die Beats gegenseitig quer durch die Klapsmühle, dann fließen sie wieder zäh vor sich hin und erfreuen sich ihrer extremen Viskosität. All das führt freilich dazu, dass "Season high" nicht wie aus einem Guss wirkt, sondern eher zum formlosen Trip mutiert, dem man sich hingeben muss. Ansonsten droht der Rauswurf. Aus der Kurve, aus der Bahn. Lass Dich auf das siebeneinhalbminütige "Gravity" ein oder geh Deinen Pullunder bügeln, Du Stubenhocker! Little Dragon jedenfalls machen es einem auf komplizierte Weise einfach, "Season high" zu mögen. Oder eben nicht. Es ist wohl ihr vertracktestes Album, durch dessen feine Adern immer noch Melodieseligkeit und Sonnenlicht pulsieren. Orientierungs- und Richtungslosigkeit haben jedenfalls selten süßer geklungen.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
1. Celebrate (feat. Agge)
2. High
3. The Pop Life
4. Sweet
5. Butterflies
6. Should I
7. Don't Cry
8. Strobe Light
9. Push
10. Gravity


Clip:
Sweet

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